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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
Autoren: Veronica Roth
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zerstören, ehe jemand mich erschießt. Wann habe ich mich eigentlich zu einem derartigen Selbstmordkommando entschlossen? Und wieso ist mir der Entschluss so leichtgefallen?
    » Ich kann nicht hierbleiben, während du dein Leben aufs Spiel setzt«, protestiert Caleb.
    » Du musst«, sage ich.
    Peter fällt auf die Knie. Sein Gesicht ist schweißnass. Einen Moment lang mache ich mir seinetwegen beinahe Vorwürfe, aber dann fällt mir wieder Edward ein und das raue Tuch, mit dem meine Angreifer mir die Augen verbunden haben, und mein Mitleid verkehrt sich in Hass.
    Caleb sieht mich an und nickt wortlos.
    Ich gehe zu einer der Wachen und nehme ihre Waffe an mich. Ich vermeide es, einen Blick auf die Schusswunde zu werfen. Mein Herz klopft. Ich habe nichts gegessen, ich habe nicht geschlafen, ich habe nicht geschluchzt, nicht geschrien, nicht einen Moment Pause gemacht. Mein Vater und ich schleppen uns nach rechts zu den Aufzügen. Siebter Stock.
    Als sich die Fahrstuhltüren schließen, lehne ich den Kopf an die Glaswand und höre auf die Pieptöne.
    » Danke, dass du Caleb beschützt hast«, fängt mein Vater an. » Beatrice, ich…«
    Der Aufzug hat den siebten Stock erreicht und die Türen gehen auf. Zwei Wachen erwarten uns, mit gezückten Waffen und ausdruckslosem Gesicht. Als die Schüsse krachen, lasse ich mich auf den Bauch fallen. Ich höre, wie die Geschosse auf Glas treffen. Beide Wachen sacken zu Boden. Mein Vater steht über ihnen, die Waffe weit von sich gestreckt.
    Ich rapple mich auf. Aus dem linken Gang kommen Soldaten im Laufschritt. Die Einförmigkeit ihrer Schritte lässt darauf schließen, dass sie ferngesteuert sind. Ich könnte den Gang rechts nehmen, aber wenn die Wachen von links kommen, dann stehen sicherlich dort die Computer. Ich lasse mich wieder auf den Boden fallen, zwischen die beiden Wachen, die mein Vater soeben erschossen hat, und liege ganz still.
    Plötzlich springt mein Vater aus dem Fahrstuhl und rennt nach rechts. Er will die Ferox von mir weglocken. Ich halte mir die Hand vor den Mund, um nicht laut zu schreien. Irgendwann hat der Gang ein Ende, was dann?
    Ich vergrabe den Kopf in den Armen, damit ich es nicht mit anschauen muss, aber es hilft nichts. Über den Rücken des toten Wachmanns hinweg sehe ich, wie mein Vater auf die Wachen feuert. Er ist zu langsam– einer von ihnen zielt schon auf seinen Magen und drückt ab.
    Ich spüre sein gequältes Stöhnen fast körperlich. Er sackt gegen die Wand und schießt noch einmal. Und noch einmal. Die Wachen werden von der Simulation gelenkt, sie laufen weiter, auch wenn sie getroffen werden, sie laufen, bis ihr Herz stehen bleibt, aber sie kommen nicht bis zu meinem Vater. Noch ein Schuss, und auch der letzte Wachmann liegt am Boden.
    » Dad…« Es sollte ein Schrei werden, aber es ist nur ein Wimmern.
    Er rutscht auf den Boden. Wir sehen uns an, sind uns so nahe, als gäbe es die Entfernung zwischen uns beiden nicht.
    Er macht den Mund auf und will etwas sagen, doch dann sackt sein Kinn auf die Brust und die Spannung weicht aus seinem Körper.
    Meine Augen brennen, ich bin zu schwach, um aufzustehen. Es riecht nach Schweiß und Tränen und mir wird schlecht. Ich möchte den Kopf auf den Boden legen, ich möchte, dass alles vorbei ist. Ich möchte einschlafen und nie mehr aufwachen.
    Aber was ich meinem Vater gesagt habe, war richtig– in jeder Sekunde, die ich verschwende, stirbt ein Altruan. Es gibt nur eines, was ich jetzt noch tun kann: Ich muss die Simulation stoppen.
    Ich zwinge mich aufzustehen, taumle den Gang entlang und biege dann nach rechts. Vor mir ist eine Tür. Ich stoße sie auf.
    Über die gesamte Wand reihen sich Monitore, jeder einen Fuß hoch und einen Fuß breit. Es sind Dutzende, auf jedem ist ein anderer Teil der Stadt zu sehen. Der Zaun. Die Zentrale. Das Erdgeschoss des Gebäudes, in dem wir uns befinden, wo Caleb, Marcus und Peter auf mich warten. Die Straßen im Viertel der Altruan, wo es von Soldaten der Ferox nur so wimmelt. Auf der Wand ist alles zu sehen, was ich je gesehen, was ich je gekannt habe.
    Auf einem der Bildschirme läuft ein Programmtext. Die Zeilen rasen schneller über den Bildschirm, als ich lesen kann. Es ist die Simulation, die Übertragung des Programmcodes, eine komplizierte Liste von Befehlen, die auf tausend Eventualitäten reagieren und sie steuern.
    Vor dem Bildschirm stehen ein Stuhl und ein Tisch. Und auf dem Stuhl sitzt ein Soldat der Ferox.
    » Tobias«, sage ich.

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