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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
Autoren: Veronica Roth
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über meine Lippen und dann renne ich los. Meine ausgestreckte Handkante rammt seine Nase, er stößt einen Schrei aus und hält sich beide Hände vors Gesicht. Die Anspannung verleiht mir Kräfte, und als er blinzelt, trete ich ihm in die Rippen. Er fällt auf die Knie, seine Waffe rutscht auf den Boden. Ich nehme sie und drücke ihm den Lauf an den Kopf.
    » Wieso bist du wach?«, frage ich ihn.
    Er hebt den Kopf. Ich lade die Waffe und blicke ihn mit hochgezogener Augenbraue an.
    » Die Anführer der Ferox… sie haben meine Aufzeichnungen ausgewertet und mich von den Simulationen ausgenommen«, sagt er.
    » Weil sie herausgefunden haben, dass dir das Töten nichts ausmacht und du auch im wachen Zustand, ohne mit der Wimper zu zucken, ein paar Hundert Menschen töten würdest«, sage ich. » Das wundert mich nicht.«
    » Ich bin kein… Mörder!«
    » Ich habe gar nicht gewusst, dass ein Candor so lügen kann.« Ich stoße ihm den Lauf an den Kopf. » Wo sind die Computer, die die Simulationen steuern, Peter?«
    » Du wirst mich nicht erschießen.«
    » Mein Charakter wird oft überschätzt«, sage ich leise. » Weil ich klein oder ein Mädchen oder eine Stiff bin wahrscheinlich; deshalb denken immer alle, ich könnte nicht grausam sein. Aber da täuschen sie sich.«
    Ich ziele nach links und schieße ihm in den Arm.
    Sein Schrei hallt durch die Gänge. Blut schießt aus der Wunde, er schreit weiter und presst die Stirn auf den Boden. Ich halte die Waffe wieder an seinen Kopf und ignoriere das Schuldgefühl, das sich in mir breitmacht.
    » Jetzt, wo du deinen Fehler eingesehen hast, gebe ich dir noch eine Chance, mir zu sagen, was ich wissen muss, ehe ich woandershin schieße.«
    Es gibt noch etwas, wovon ich ausgehen kann: Peter ist niemals selbstlos.
    Er schaut mich aus seinen hellen Augen an. Er beißt sich auf die Lippe, sein Atem geht schwer.
    » Sie hören uns«, stößt er hervor. » Wenn du mich nicht tötest, dann werden sie es tun. Ich sage dir nur, was du wissen willst, wenn du mich hier rausbringst.«
    » Wie bitte?«
    » Nimm mich… ahh… nimm mich mit«, stöhnt er.
    » Ich soll dich mitnehmen?«, frage ich. » Dich, der mich umbringen wollte, dich soll ich mitnehmen?«
    » Ja«, stöhnt er, » sonst erfährst du nicht, was du wissen willst.«
    Es hört sich an, als hätte ich die Wahl, aber die habe ich nicht. Jede Minute, die ich hier mit Peter verplempere und während derer ich daran denke, wie er mich in meinen Albträumen verfolgt und was er mir angetan hat, sterben weitere Altruan von der Hand einer hirnbetäubten Ferox-Armee.
    » Na gut«, sage ich schließlich und verschlucke mich beinahe daran. » Na gut.«
    Hinter mir höre ich Schritte. Ich packe die Waffe fester und blicke über die Schulter. Mein Vater und die anderen kommen auf uns zu.
    Mein Vater zieht sein langärmeliges Hemd aus. Darunter trägt er ein graues T-Shirt. Er bückt sich neben Peter, umwickelt den verletzten Arm und verknotet den Stoff. Während er den notdürftigen Verband auf die blutende Wunde drückt, blickt er auf und fragt mich: » War es wirklich nötig, auf ihn zu schießen?«
    Ich erspare mir eine Antwort.
    » Manchmal ist es zum Wohle des Ganzen, jemandem wehzutun«, sagt Marcus ruhig.
    In Gedanken sehe ich ihn mit dem Gürtel in der Hand vor Tobias stehen, und ich höre, wie er sagt: Das ist nur zu deinem Besten. Glaubt er das wirklich? Was er sagt, klingt so, als käme es aus dem Mund eines Ferox.
    » Gehen wir«, sage ich. » Steh auf, Peter.«
    » Du willst, dass er geht?«, fragt Caleb. » Bist du noch bei Trost?«
    » Habe ich ihm etwa ins Bein geschossen?«, frage ich zurück. » Nein. Er kann gehen. Wohin, Peter?«
    Caleb hilft Peter aufzustehen.
    » Zum Glashaus«, sagt er ächzend. » Siebter Stock.«
    Er führt uns durch die Tür.
    Ich laufe in Richtung Fluss, der unter uns donnert, hin zu dem blauen Licht in der Grube, die jetzt so leer daliegt, wie ich sie noch nie gesehen habe. Ich lasse den Blick schweifen, suche nach Anzeichen von Leben, aber ich sehe nichts, was sich bewegt, niemanden, der in der Dunkelheit steht. Ich behalte meine Waffe in der Hand und steige den Pfad hinauf, der zu der gläsernen Decke führt. Die Leere jagt mir einen Schauder durch den Körper. Sie erinnert mich an das endlose Feld in meinen Krähen-Albträumen.
    » Was gibt dir das Recht, auf jemanden zu schießen?«, fragt mein Vater, als er hinter mir den Pfad hinaufsteigt. Wir kommen am Tattoo-Studio vorbei. Wo Tori
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