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Die Beschenkte

Die Beschenkte

Titel: Die Beschenkte
Autoren: Kristin Cashore
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Aufmerksamkeit in seinem Gesicht, eine Konzentration in seinen Zügen, sogar in seinem Körper, die auf sie gerichtet war. Sie konnte es fühlen. Sie spürte die Ruhe seines Gesichts, seines Körpers, wenn er auf sie lauschte. Sie glaubte, dass es immer öfter geschah, während die Tage vergingen. Als würde er sich langsam wieder mit ihr verbinden und sie in seine Gedanken zurückholen. Er berührte sie auch wieder, wie er es vor seiner Verwundung getan hatte – küsste ihre Hände, wenn sie in der Nähe war, oder berührte ihr Gesicht, wenn sie vor ihm stand. Und Katsa fragte sich, ob er ihnen tatsächlich allen mehr Aufmerksamkeit schenkte – echtere Aufmerksamkeit – oder es ihr nur so vorkam. Als wäre er weniger von seiner Gabe überwältigt. Oder weniger mit sich selbst beschäftigt.
    »Schau mich an«, sagte er einmal zu ihr, als sie die Hütte für sich hatten, was selten vorkam. »Katsa, sieht es so aus, als ob ich dich ansehe?«
    Sie saßen vor dem Feuer und schabten die Rinde von Ästen, aus denen sie Pfeile machen wollten. Katsa drehte sich ihm zu, vom Feuer erhitzt, und begegnete seinem Blick, der direkt in ihre Augen strahlte. Sie hielt die Luft an, legte das Messer weg und fragte sich kurz, wie lange die anderen wohl fortblieben. Dann riss Bos misslungener Versuch, sein Grinsen zu unterdrücken, sie aus ihrer Betäubung.
    »Liebe Wildkatze. Das war eine ausführlichere Antwort, als ich erwartet habe.«
    Sie schnaubte. »Dein Selbstwertgefühl ist offensichtlich in Ordnung. Und was wolltest du damit erreichen?«
    Bo lächelte. Seine Hände kehrten zur Arbeit zurück, seine Augen wurden wieder leer. »Ich will wissen, wie ich es anstelle, dass die Leute denken, ich schaue sie an. Ich will wissen, wie ich Bitterblue anschauen muss, damit sie nicht mehr denkt, etwas an meinen Augen sei merkwürdig.«
    »Oh, natürlich. Nun, so sollte es klappen. Wie machst du das?«
    »Ich weiß ja, wo deine Augen sind. Es ist vor allem eine Sache der Richtung, und dann spüre ich deine Reaktion.«
    »Mach es noch mal.«
    Diesmal ging es ihr nur um das Experiment. Er hob den Blick und sie achtete nicht auf ihr Hitzegefühl. Ja, es wirkte, als würde er sie sehen – obwohl sie jetzt, wo sie seinen Blick studierte, etwas anderes bemerkte.
    »Sag es mir«, bat er.
    Sie betrachtete ihn. »Das Licht deiner Augen ist so seltsam und verwirrend, dass ich nicht glaube, jemand merkt etwas. Aber du scheinst nicht ganz – konzentriert. Du siehst mich an, aber deine Gedanken sind woanders. Verstehst du?«
    Er nickte. »Das wird Bitterblue merken.«
    »Mach deine Augen ein bisschen schmal«, sagte Katsa. »Zieh die Augenbrauen herunter, als würdest du nachdenken. Ja – das ist sehr überzeugend, Bo. Niemand, den du so anschaust, wird je etwas merken.«
    »Danke, Katsa. Kann ich das hin und wieder mit dir üben? Ohne Angst zu haben, dass du mich auf den Rücken wirfst und mir die Kleider vom Leib reißt?«
    Katsa kicherte und warf einen Pfeilschaft nach ihm. Er fing ihn geschickt auf und lachte, und für einen Moment fand sie, dass er richtig glücklich aussah. Dann spürte er natürlich ihren Gedanken, und ein Schatten legte sich über sein Gesicht. Er vertiefte sich in seine Arbeit. Sie warf einen Blick auf seine Hände, auf den Finger, an dem immer noch der Ring fehlte. Da holte sie tief Luft und griff nach einem neuen Ast.
    »Wie viel weiß Bitterblue?«, fragte sie.
    »Nur dass ich ihr etwas verschweige. Sie weiß, dass meine Gabe mehr umfasst, als ich ihr gesagt habe. Das hat sie von Anfang an gewusst.«
    »Und dein Sehvermögen?«
    »Ich glaube nicht, dass ihr der Gedanke je gekommen ist.« Bo glättete einen Stab mit dem Messer und fegte die abgeschabte Rinde ins Feuer. »Ich werde ihr öfter in die Augen schauen«, sagte er und zog sich wieder ins Schweigen zurück.
    Bo und Skye hänselten Bitterblue immer wieder wegen ihres Gefolges. Es waren nicht nur die Wachen – Ror nahm die königliche Stellung seiner Nichte sehr ernst. Ständig kamen Soldaten mit Pferden, die hoch beladen waren mit Vorräten, besonders als die Winterstürme nachließen. Sie brachten Gemüse, Brot, Obst, Decken, Kleidung, Gewänder für die Königin und immer Briefe von Ror, in denen er nach Bitterblues Meinung zu diesem und jenem fragte, sie über die Pläne für die Krönungsfeier informierte und sich nach der Gesundheit der Mitreisenden erkundigte, besonders nach der von Bo.
    »Ich werde Ror bitten, mir ein Schwert zu schicken«, sagte
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