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Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)

Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)

Titel: Die Berechnung der Zukunft: Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen - Der New York Times Bestseller (German Edition)
Autoren: Nate Silver
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    Alvin Toffler sah 1970 in seinem Buch Der Zukunftsschock einige Folgen der »Informationsüberfütterung« (»information overload«) voraus. Er ging davon aus, dass unsere Verteidigungsstrategie darin bestehen würde, die Welt unseren Vorurteilen gemäß zu vereinfachen, obwohl sie tagtäglich vielfältiger und komplexer wird. 42
    Unsere natürlichen Instinkte sind nicht immer sonderlich gut an die Informationsdichte der modernen Welt angepasst. Wenn wir nicht aktiv daran arbeiten, uns unsere Verallgemeinerungen bewusst zu machen, dann sind die Vorteile zusätzlicher Informationen vermutlich minimal oder sogar eher nachteilig.
    Die »Informationsüberfütterung« nach der Erfindung der Druckerpresse führte zu größerem Sektierertum. Verschiedene religiöse Glaubensvorstellungen konnten mit mehr Information versehen, mit größerer Überzeugungskraft vertreten und mit mehr »Beweisen« belegt werden – was aber auch weniger Toleranz für Andersdenkende zur Folge hatte. Dem gleichen Phänomen begegnet man auch heute. Politische Parteilichkeit nahm in den USA etwa zu der Zeit rapide zu, als Toffler Der Zukunftsschock schrieb; und seitdem es das Internet gibt, steigt sie stetig. 43
    Dergleichen Parteilichkeiten sind geeignet, die Gleichung, dass mehr Informationen für mehr Wahrheit sorgen, zu widerlegen. Eine neuere Studie in Nature kam zu folgendem Ergebnis: Je mehr Informationen über die globale Erwärmung politische Eiferer besaßen, desto weniger waren sie sich untereinander einig. 44
    Die Informationsmenge nimmt mit 2,5 Quintillionen Bytes pro Tag zu, aber damit durchaus nicht die Menge nützlicher Information. Das meiste ist nur Rauschen, und dieses Rauschen nimmt stärker zu als das Signal. Es gäbe so viele Hypothesen zu überprüfen, so viele Daten auszuwerten, aber trotzdem existiert immer nur eine relativ konstante Menge objektiver Wahrheiten.
    Die Druckerpresse veränderte unsere Möglichkeiten, Fehler zu machen. Fehler beim Abschreiben wurden seltener, aber Druckfehler, wie sie sich beispielsweise in die »Wicked Bible« einschlichen, wurden unzählige Male reproduziert.
    Komplexe Systeme wie das World Wide Web zeigen auch solche Schwachstellen. Sie versagen nicht so oft wie einfachere Systeme, aber wenn sie versagen, dann in großem Maßstab. Der Kapitalismus und das Internet, beides Erscheinungen, die Informationen effizient verbreiten, bieten freilich guten wie auch schlechten Ideen diese Möglichkeit. Die schlechten Ideen können unverhältnismäßig schädliche Folgen haben. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise war das System so überbeliehen, dass eine einzige nachlässige Annahme in den Modellen der Ratingagenturen dazu beitragen konnte, das gesamte globale Finanzsystem kollabieren zu lassen.
    Regulierungen stellen eine Möglichkeit dar, diese Probleme zu lösen. Aber ich befürchte, dass uns diese nur einen Vorwand bieten, nicht bei uns selbst nach den Antworten suchen zu müssen. Wir sollten innehalten und es endlich zugeben: Wir haben ein Prognoseproblem. Wir lieben es, Entwicklungen vorherzusagen – wir sind aber nicht besonders geschickt darin.
    Die Prognoselösung
    Vorhersagen sind das zentrale Problem dieses Buches, aber auch seine Lösung.
    Voraussagen sind für unser Leben unabdingbar. Jedes Mal, wenn wir einen Weg zum Arbeitsplatz wählen, wenn wir beschließen, auf das erste noch ein zweites Date folgen zu lassen oder Geld für schlechte Zeiten zu sparen, stellen wir eine Vorhersage darüber an, wie die Zukunft aussehen wird und wie unsere Pläne die Chancen auf ein positives Ergebnis beeinflussen werden.
    Nicht alle diese Alltagsprobleme erfordern angestrengtes Nachdenken. Uns steht für jede einzelne Entscheidung nur sehr wenig Zeit zur Verfügung, gleichwohl treffen wir – bewusst oder unbewusst – tagtäglich viele Entscheidungen.
    Aus diesem Grund betrachte ich im vorliegenden Buch Prognosen als ein gemeinsames Unterfangen und nicht als eine Aufgabe, die von ausgesuchten Experten oder Fachleuten durchgeführt wird. Sich über die Experten lustig zu machen, wenn ihre Vorhersagen nicht eintreffen, mag Freude bereiten; wir sollten jedoch vorsichtig mit Schadenfreude sein. Zu behaupten, dass unsere Vorhersagen ja auch nicht schlechter seien als die der Experten, hieße doch, uns mit solcher Lobhudelei selbst abzuwerten.
    Vorhersagen spielen eine besonders wichtige Rolle in den Wissenschaften. Einigen Lesern und Leserinnen wird die Prämisse,
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