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Die Bank im Park

Die Bank im Park

Titel: Die Bank im Park
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vor mir? Ich bin unbewaffnet … wenn Ihr mir zugeben wollt, daß mir mein Stock nur zur Fortbewegung und nicht zum Kampfe dient. Außerdem bin ich über die Jahre hinaus, in denen auf diesem Gebiet von mir noch etwas zu fürchten wäre. Ihr könntet mich abstechen wie –«
    »Wer seid Ihr?« rief Chartier, den Alten unterbrechend, noch einmal.
    »Mein Vorschlag: Setzen wir uns erst mal wieder.«
    Dies geschah, wenn auch von seiten Chartiers sehr zögernd. Dann sagte der Alte: »Ich bin ein Patriot wie Ihr auch –«
    »Ich –«
    Die beiden fielen einander dauernd ins Wort.
    »Ihr könnt Euch nicht verleugnen«, erklärte nun der alte Mann, den Dichter mit einer erstaunlich energischen Handbewegung zum Schweigen bringend. »Eure Gedichte verraten Euch. Wir beide lieben nicht nur den König, sondern sehen auch im Dauphin, der einmal als Ludwig XI. den Thron Frankreichs besteigen wird, eine Zukunft. Steht also der Vater gegen seinen Sohn, weil der Sohn den Vater nur der Hure Sorel wegen haßt, so ist die Zukunft Frankreichs nicht die Lilie mehr, das Zeichen des angestammten Herrscherhauses, sondern die Herrschaft kommt aus den Intrigantenhöhlen Orleans.«
    »Und darum soll ich mich kümmern?« antwortete Chartier immer noch abweisend.
    »Ja«, nickte der Greis in tiefem Ernst. »Das wird von Euch verlangt.«
    »Wer verlangt das?«
    »Die Geschichte. Oder spürt Ihr das nicht?«
    Chartier schwieg. Er blickte zu Boden.
    »Die Geschichte«, knüpfte deshalb der Greis an seine eigenen Worte an, »tritt immer zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmte Männer zur Erfüllung bestimmter Aufgaben heran. Ihr, Alain Chartier, sollt –«
    »Ich bin Poet und kein Politiker oder Soldat!« rief Chartier, dem anderen schon wieder einmal ins Wort fallend.
    Der Alte lächelte.
    »Genau das ist richtig. Ihr sollt auch nicht schießen, sondern dichten.«
    »Dichten?« Chartiers Miene verriet ein kaum mehr zu steigerndes Maß an Skepsis. »Was hat die Geschichte damit zu tun?«
    »Sehr viel.« Der seltsame, von einem Geheimnis umwitterte Greis zeigte mit dem Knauf seines Stockes auf Chartier. »Ihr unterschätzt Eure Möglichkeiten, mein Freund, Euren Einfluß.«
    »Welchen Einfluß?«
    »Vor allem den auf Margarete von Schottland, die Dauphine. Das kann Euch doch nicht völlig unbekannt sein?«
    »Davon höre ich zum erstenmal.«
    »Dann vernehmet, daß sie alle Eure Gedichte kennt und liebt, Eure Verse, Eure epischen Werke, Eure Liebeslieder. In ihrem Kabinett läßt sie sich oft von einer des Lesens kundigen Zofe Eure Gesänge vortragen. In der Begeisterung der Dauphine, in ihrer Hingabe an Euer Werk, Alain Chartier, steckt die Aufgabe für Euch, von der ich sprach.«
    Der Poet schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe nicht«, sagte er ehrlich.
    Und wieder sah er sich vom Stockknauf angezielt, wobei er gefragt wurde: »Habt Ihr noch nie gehört, welche Macht das Wort eines Weibes, das von seinem Gemahl geliebt wird, auf diesen hat?«
    »Doch.«
    »Und habt Ihr noch nie gehört, daß die Dauphine ein solches Weib ist, das von seinem Mann, dem Dauphin, über alles geschätzt wird.«
    »Gewiß, aber –«
    »Was aber?«
    »Ich verstehe immer noch nicht …«
    »Das ist doch ganz einfach: Schreibt eine Ode auf den inneren Frieden Frankreichs, schreibt einen Brief an die Dauphine, sprecht als Dichter mit ihr, kleidet die Hoffnungen des Volkes in Verse – das Volk will diesen Kampf wegen einer Nutte nicht. Die Dauphine wird Eure Botschaft verstehen, ihr Herz wird sich daran, wie immer, entzünden, und sie wird sich für sie beim Dauphin verwenden. Begreift Ihr nun?«
    Die Antwort darauf war nicht schwer.
    »Ja«, nickte Chartier.
    Doch dann fuhr er fort: »Aber begreift Ihr, was das für mich bedeuten, wohin es mich führen kann?«
    »Auf höchste Höhen.«
    »Nein, in einen Abgrund. Ein solches Leben, von dem Ihr sprecht, kann für meine Begriffe die Hölle sein. Ein solches Leben ist gewissermaßen auf der Spitze eines Degens angesiedelt. Jeder Bissen, den man verzehrt, ist vorher zu prüfen, ob nicht Gift daruntergemischt wurde. Jeder Mann in der nächsten Umgebung kann ein Brutus sein.«
    »Ihr seid ja kein Herrscher.«
    »Aber wie nahe bin ich ihm! Der Anschlag, der ihn trifft, kann auch mich verderben. Doch abgesehen davon – er selbst ist eine ständige Gefahr für mich. Seine Gunst wechselt, und schon trifft mich sein ungnädiger Fuß, der mich von den Stufen seines Thrones stößt. Nein, nein, ich lecke nicht den Speichel eines
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