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Die Bank im Park

Die Bank im Park

Titel: Die Bank im Park
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wies ihn als einen Wanderer aus der Provence aus. Vor der Bank blieb der Mann stehen, grüßte höflich und fragte, ob es gestattet sei, auch Platz zu nehmen.
    »Aber ganz selbstverständlich«, antwortete der Dichter lächelnd. »Die Bank gehört ja nicht mir allein, sondern allen, die vorbeikommen und das Bedürfnis haben, sich auszuruhen. Sie ist ein Geschenk der Stadt Paris.«
    Der Greis nickte, lächelte auch und setzte sich. Er stieß zwischen seinen Knien die Spitze seines Stockes in den Kies und legte auf dem Silberknauf die gefalteten Hände übereinander.
    »Ein schöner Sommer«, sagte er mit einer tiefen Stimme, die Chartier überraschte, da er vorher jeden Eid darauf geleistet hätte, nichts anderes als ein fistelndes Greisenorgan zu vernehmen.
    Der Alte fuhr fort: »Ein Sommer, wie wir ihn seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Aber auch ein gefährlicher Sommer, der manche Vernunft ausdörrt und die Hitzköpfe in Scharen auf den Plan ruft.«
    »An Hitzköpfen«, erwiderte Chartier trocken, »hat's auch im Winter keinen Mangel.«
    »Kennt Ihr«, fragte der Greis, dem Chartiers Antwort nicht ins Konzept zu passen schien, »die Sache mit den Königsmördern?«
    Er hatte seine Stimme zu einem Flüstern herabgemindert und sich zu seinem Nachbarn hinübergebeugt, als fürchte er einen Lauscher in der Nähe.
    Chartier schüttelte abweisend den Kopf und scharrte mit der Degenscheide wieder im Kies.
    »Wenn Ihr es wißt, weiß es bestimmt auch die Krone«, sagte er ein wenig barsch.
    »Meint Ihr? Das Volk weiß manches, was den Königen unbekannt ist. Die guten und die schlechten Dinge – nicht alle, aber viele – quellen aus der Masse.«
    »So?«
    Noch näher an Chartier beugte sich der Alte heran, noch leiser flüsterte er: »Man sagt, der Dauphin will den Vater ermorden, weil dieser nicht von seiner Hure Sorel lassen will.«
    »Auch Agrippina mordete ihren Gatten Claudius, den Kaiser, um ihrem Sohn Nero möglichst früh die Krone desselben zu verschaffen.«
    »Richtig – und was war der Dank Neros?«
    »Der Dank an seine Mutter?«
    »Ja.«
    »Mir scheint, das muß ich Euch nicht sagen. Sie wissen es selbst so gut wie ich.«
    »Er ließ sie vergiften, ja. Ich kenne die Geschichte. Soll Ähnliches in Frankreich sich zwischen Sohn und Vater wiederholen?«
    Alain Chartier zuckte die Achseln.
    »Könnt Ihr es ändern – kann ich es?«
    »Heißt das, daß Gleichgültigkeit der dominierende Eurer Charakterzüge ist?«
    Das Achselzucken des Dichters erneuerte sich.
    »Ich habe es mir angewöhnt, die Welt so zu nehmen, wie sie ist, und empfehle das auch Euch. Damit erweist man sich selbst den größten Dienst. Sucht Euch in Eurem eigenen Leben nach Möglichkeit immer einen Platz, auf den, wie auf diese Bank hier, die Sonne warm und freundlich scheint. Sich hingegen über Recht und Unrecht den Kopf zu zerbrechen, verdüstert Euch Eure Tage, von denen Ihr ohnehin nicht mehr allzu viele haben werdet. Es bringt nichts ein.«
    Mit teils vorwurfsvollem, teils ungläubigem Blick sah daraufhin der Alte den Dichter an.
    »Ihr sprecht nicht als der, der Ihr seid«, sagte er.
    »Meint Ihr?«
    »Eure Worte wären die eines Mannes von allergeringstem Wert.«
    »Meine Worte sind die eines Realisten.«
    »Und Realisten, wollt Ihr wohl sagen, sind diejenigen, welche die Welt bauen?«
    »Sind sie das nicht?«
    »Glaubt Ihr das wirklich?«
    »Alles deutet darauf hin.«
    »Warum sagt Ihr das, obwohl es nicht Eure Meinung ist?«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«
    »Ihr glaubt so wie ich an die Idealisten!«
    »Woher wollt Ihr das wissen?« wiederholte Chartier seine Frage.
    Der Greis blickte ihn eine Weile stumm an. Dann lächelte er und entgegnete: »Ich will Euch etwas sagen: Ich kenne ein patriotisches Gedicht, in dem sich ein Ritter jahrelang von Burg zu Burg kämpft, um seine Ehre, die er durch ein unbedachtes Wort verloren hat, wiederzufinden. Es ist ein herrliches Gedicht, ein Meisterwerk, wie es vergleichsweise nur in der Odyssee des göttlichen Homer der griechischen Antike zu finden ist. Wißt Ihr, wovon ich spreche?«
    »Nein«, log Chartier, der nervös auf seinem Platz hin und her zu rutschen begonnen hatte.
    »Von Eurem Gedicht – Alain Chartier!«
    Der Poet sprang auf, und auch der Greis erhob sich rascher, als es von ihm aufgrund seiner Jahre zu erwarten gewesen wäre.
    »Wer seid Ihr?« rief Chartier, dessen Hand unwillkürlich zum Griff seines Degens gezuckt war.
    Dies sehend, spottete der Alte: »Habt Ihr Angst
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