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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition)
Autoren: helga zeiner
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selbstverständlich für sie sorgen, wobei sie dies eher im emotionalen Sinn einer Partnerschaft verstand. Sie erwartete nicht von ihm, dass er sie finanziell versorgen würde. Das würde auch gar nicht erforderlich sein. Als Krankenschwester würde sie schnell Arbeit finden, hatte ihr Kurt erklärt, und ihre dürftigen Englischkenntnisse würden bestimmt dafür ausreichen. Kurt selbst sprach noch kein einziges Wort Englisch, die Zeit, es zu erlernen, hatte ihm immer gefehlt. Wie sie seinen Mut bewunderte!
    Danach war alles sehr schnell gegangen. Die Kündigung im Krankenhaus, der Abschied von den Kollegen, die mit einer Mischung aus Bewunderung, Unverständnis, Neugierde und Neid reagierten, die Auflösung ihrer kleinen Wohnung, ihres Bankkontos, von Verträgen und Versicherungen, das Kofferpacken, und schließlich der endgültige Abschied von ihrer Heimatstadt – alles war einer konfusen Eile unterworfen gewesen. Obwohl sie eigentlich alles in Ruhe mit Kurt hatte durchsprechen wollen, war er in seinen Entscheidungen immer so selbstsicher und endgültig, dass sie es gar nicht wagte, Bedenken anzumelden. Sie würden alles Geld, das ihnen zur Verfügung stand, in bar mitnehmen, bestimmte er. Johanna hatte nur fünfhundert Mark auf dem Sparkonto, er fast dreitausend. Zusammen mit dem Verkauf ihres Autos, das von ihren Eltern bezahlt worden war, besaßen sie über achttausend Mark. Die fünftausend gehören eigentlich meinen Eltern, ermahnte sie ihn, es sei ausgemacht gewesen, dass sie das Geld so schnell wie möglich zurückzahlen würde. Wirst du auch, tat er ihren Einwand ab, sobald wir uns im Ausland etabliert haben und wir es uns leisten können. So lange werden sie wohl noch warten können, die alten Raffzähne!

Kapitel 4
     
     
    Und da waren sie also nun, mit den Fahrscheinen in die Freiheit, einer stolzen Summe Bargeld in der Tasche, vier Koffern voller Kleidung und Andenken an ihr bisheriges Leben, einem Trauschein, auf dem die Tinte noch nicht trocken war, und sechs Wochen Hochzeitsreise vor ihnen. Hand in Hand schlenderten sie über die Gangway. Sie waren ein imposantes Paar, das aus der Menge herausragte, und wurden dennoch, wie alle anderen auch, von den anscheinend völlig unbeeindruckten Matrosen an Bord ziemlich rüde angewiesen, doch etwas zügiger voranzugehen. Kurz darauf ereilte sie der erste Schock.
    Sie waren zusammen mit den anderen Passagieren vier Stockwerke tief in den Bauch des Ozeanriesen gestiegen, als sie am Ende eines Korridors von einem dort wartenden Matrosen aufgehalten wurden.
    „Frauen rechts, Männer links“, rief ihnen dieser in einem fast unverständlichem Deutsch zu und wies gleichzeitig mit ausladenden Armbewegungen in beide Richtungen.
    „Wieso? Was soll das? Bleiben wir nicht zusammen?“, flüsterte Johanna.
    Das Gleiche wurde rund um sie herum gefragt, denn keiner der Anwesenden hatte damit gerechnet, von seinem Partner getrennt zu werden. Alle blieben verwundert und überrascht stehen und drängten sich aneinander.
    „It’s the rule“, sagte der Matrose gebieterisch und unterwarf sie damit seiner eigenen Muttersprache. Die meisten blickten sofort hilflos zu Boden. Einer der Männer stellte dem Matrosen einige Fragen auf Englisch und übersetzte danach.
    „So sind die Regeln an Bord“, erklärte er den stummen Zuhörern. „Wir müssen uns danach richten, sonst dürfen wir nicht mitreisen. Es hat bei den letzten Überfahrten wegen der gemischten Kabinen zu viele Probleme gegeben, deshalb werden die Geschlechter jetzt strikt getrennt.“
    „Aber wir sind doch verheiratet!“, rief Kurt dem Mann zu, und die Umstehenden begannen sich ebenfalls zu beschweren.
    „Da kann leider keine Ausnahme gemacht werden“, übersetzte der Mann weiter, „es wird für uns alle keine Privatsphäre geben. Die Gesellschaftsräume auf den oberen Decks sind nicht getrennt, hat der Matrose gesagt. Dort können wir uns paarweise treffen, wenn nötig – ihr versteht schon. Wir müssen das nur richtig organisieren. Es ist ja nur für kurze Zeit, das ist doch kein Weltuntergang.“
    Das Gemurmel der Wartenden war nun eher zustimmend. Es würde ja nur für sechs Wochen sein, und schließlich hatte die Überfahrt keinen von ihnen auch nur einen Pfennig gekostet. Wer wollte da übertriebene Ansprüche stellen? Zögerlich trennten sich die Frauen und Männer und gingen in die ihnen gewiesene Richtung. Johanna fiel erst jetzt auf, dass es deutlich weniger Frauen als Männer waren. Es tat ihr
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