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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition)
Autoren: helga zeiner
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leid, nicht bei Kurt bleiben zu können, aber sie sah den Sinn der Regelung ein. Die getrennte Unterbringung diente ausschließlich dem Schutz der Frauen!
    Gemeinsam bewegten sie sich vorwärts, bis sie in Achtergruppen aufgeteilt und einzelnen Kabinen zugewiesen wurden. Jede Kabine war mit doppelstöckigen Einzel- und Doppelbetten ausgerüstet. Johanna wollte unbedingt eines der oberen Einzelbetten erreichen, doch eine junge Frau vor ihr versperrte ihr in den Weg. Johanna blieb keine andere Wahl als sich schnell auf das gegenüberliegende Doppelbett zu stürzen, sonst hätte sie sich mit einem der unteren Etagenbetten begnügen müssen. Direkt neben ihr auf dem Doppelbett rollte ihre Bettnachbarin bereits sorgfältig ihre Decke auf, klopfte eine Mulde in ihr Kopfkissen und rutschte dann mit ihrem Körper so weit wie möglich ans Kopfende. Halb sitzend nahm sie ihre Brille ab und begann diese mit schnellen, kreisrunden Bewegungen, die wohl ihre Nervosität verbergen sollten, am Bettbezug zu polieren.
    Auf Johannas anderer Seite, durch einen schmalen Gang getrennt, streckte sich seufzend die Frau, die ihr vorhin den Weg versperrt hatte, auf dem oberen Einzelbett aus und murmelte etwas, das Johanna nicht verstehen konnte. Wie sich später herausstellte, hieß die Frau Isabella, sprach neben Italienisch auch fließend Deutsch und etwas Englisch und konnte ohne Probleme sofort in die jeweils benötigte Sprache wechseln.
    Johanna streckte sich ebenfalls auf ihrem Bett aus und starrte müde vor sich hin. Irgendwann würden sie wohl wieder nach oben geschleust werden, zum Empfangsabend, an dem ihnen alles Weitere erklärt werden würde. Wann und wo sie ihre Koffer holen konnten, wo es Essen gab, wo sie ihre Männer treffen konnten, wo die Waschgelegenheiten waren, und noch tausend andere Dinge. Sie sah kurz nach rechts und links, prägte sich ihre Nachbarinnen ein, und dachte dann wieder an Kurt. Was er wohl gerade machte? Würde er seine Kabinenbewohner nett finden? Auf engstem Raum, mit Fremden eingesperrt, war er bestimmt gereizt und ungeduldig. Hoffentlich waren die anderen vernünftig genug und verärgerten ihn nicht.
    Sie verspürte plötzlich wieder ein beklemmendes Gefühl in ihrer Brust, das wie eine düstere Vorahnung auf ihrem Gemüt lastete und ihr das Atmen schwer machte.
     
    Eva spürte genau, dass die Frau neben ihr ebenfalls wach war. Wie die anderen Frauen in der Kabine, hatte Eva Erschöpfung vorgetäuscht, um ihren ersten Schock verarbeiten zu können. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um die ernüchternde Tatsache, dass dies ihre Hochzeitsreise war. Ihre wunderbare, romantische Hochzeitsreise! Wären sie und Uwe doch besser in München geblieben. Dort könnten sie jetzt wenigstens in ihrem eigenen Bett liegen und sich aneinander kuscheln! Hätte sie sich doch bloß geweigert, so überstürzt abzufahren. Aber es war Uwes Wunsch gewesen, sofort nach der Trauung abzureisen. Er wollte den Beginn ihres gemeinsamen Lebens nicht lang mit großartigen Hochzeits- und Abschiedsfeiern vergeuden. Eva war gar nicht auf die Idee gekommen, Uwe zu widersprechen. Sie freute sich auf das Leben mit ihm. Außerdem klang es so romantisch, diese Seereise ans Ende der Welt, auf diesem wunderschönen Schiff, die sie sich normalerweise nie hätten leisten können. Uwe war wirklich sehr clever, und so einfallsreich. Deshalb war es auch nicht wichtig, dass Uwe nicht so ganz der Vorstellung entsprach, die sich Eva als Teenager von ihrem Zukünftigen gemacht hatte. Er war groß, ja, sehr groß sogar, aber ansonsten eher unscheinbar. Irgendwie wurde er oft übersehen. Das lag vielleicht an seinem zurückhaltenden Auftreten und seiner Angewohnheit, lange nach den richtigen Worten zu suchen, wenn er überhaupt den Mund aufmachte. Solange sie ihn kannte, hatte eigentlich immer sie die Unterhaltung bestritten, oder sie hatte seine bedächtig angefangen Sätze für ihn zu Ende gebracht, wenn er wieder einmal umständlich nach Formulierungen suchte. Aber das machte ihr nichts aus. Eigentlich fand sie es sogar ganz angenehm, dass er mit fast allem einverstanden war, was sie plante. Allerdings blieb er in den wenigen Fällen, in denen er selbst einen Vorschlag machte, ungewöhnlich stur. So war es auch gewesen, als er meinte, dass sie heiraten und nach Australien gehen sollten, da hatte er ihr Einverständnis praktisch vorausgesetzt. Nachdem sich Eva von seinem Plan jedoch begeistert gezeigt hatte, vor allem als sie hörte, dass es eine
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