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Die Auswanderinnen (German Edition)

Die Auswanderinnen (German Edition)

Titel: Die Auswanderinnen (German Edition)
Autoren: helga zeiner
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über den Bettrand baumeln.
    „Ich habe erst letzte Woche geheiratet!“, erklärte Eva stolz.
    „Ehrlich?“ Die Dunkle beugte sich vor und streckte ihre Hand über die schmale Kluft zwischen den Betten hinweg aus. „Ich heiße Isabella, Isabella Kraus. Ich weiß, das klingt schrecklich, aber was soll ich machen. Der Dieter ist nun mal aus Bayern. Aus Starnberg. Und Sie?“
    Eva verlagerte ihr Gewicht auf ihren linken Arm und beugte sich vor, bis sie die angebotene Hand erreichen konnte. „Eva! Seybold! Also, Eva Seybold.“ Auch sie tat sich mit dem ungewohnten Nachnamen noch schwer. „Mein Mann ist aus Norddeutschland, aber ich bin Münchnerin!“
    Daraufhin blickte Isabella die blonde Frau an und fragte ungeniert: „Und Sie?“
    „Heidelberg“, gab diese ihre Reserve mit resigniertem Unterton auf. Langsam setzte auch sie sich auf und wirkte in dem beengten Raum nun noch imposanter. Sie hielt erst Eva und dann Isabella ihre Hand hin. „Ich heiße Johanna Strobel, und ich habe ebenfalls letzte Woche geheiratet.“
    „Da trifft mich doch der Schlag!“, rief Isabella erstaunt aus und ihre Aussprache war dabei auffällig bayerisch geworden. „Lauter Bräute hier! Verflucht noch mal, was soll das? Was machen wir nur auf diesem Höllendampfer – frisch verheiratet und trotzdem nach Männlein und Weiblein getrennt. Wahrscheinlich ist der ganze Kahn voller Hochzeitspaare, und diese australischen Banausen behandeln uns wie die Insassen eines Schullandheims und sperren unsere Männer weg, als wären sie abartige Sexualverbrecher. In was für ein scheißprüdes Land fahren wir denn da eigentlich?“
    Eva dachte an ihren Uwe und an ihre Traumreise und wusste, dass ihr gleich die Tränen kommen würden. Da spürte sie eine Hand auf ihrem Arm.
    „Es sind nur sechs Wochen“, sagte Johanna, und die unerwartete Intimität der Geste erschreckte Eva so sehr, dass sie vergaß zu weinen.
    „Nur?“, warf Isabella ein. „Nur sechs Wochen? Nur unsere ganze Hochzeitsreise lang? Das ist eine kolossale Schweinerei, und ich finde, wir sollten uns das nicht gefallen lassen.“
    Nun konnte sich Eva nicht mehr beherrschen. Sie schluchzte auf, zwar etwas verhalten, aber, wie sie fand, der Situation angemessen. „Was können wir denn machen?“, fragte sie und gab sich selbst die Antwort. „Da kann man doch gar nichts machen. Das ist halt so.“
    „Die Australier haben wahrscheinlich gar nichts damit zu tun“, meinte Johanna sachlich. „Ich vermute es ist die Reederei, die auf dieser Bestimmung besteht. Sie haben auf der Queen Frederika eben nur Mehrbettkabinen, und wollen keinen Ärger kriegen.“
    Isabella gestikulierte heftig, um ihre Meinung deutlich zu unterstreichen: „Aber sie haben uns nichts davon gesagt. Ich hätte dieses Scheißschiff nicht genommen, wenn ich das gewusst hätte. Und ich bin mir gar nicht so sicher, ob es wirklich nur solche Kabinen gibt. Weiter oben, auf den höherliegenden Decks, gibt es bestimmt auch Zweierkabinen. Ich werde das auskundschaften, und ich sage euch, wenn meine Vermutung zutrifft, müssen sie zumindest die Hochzeitspaare umbetten!“ Sie lachte plötzlich und sah nicht mehr ärgerlich, sondern fröhlich und hübsch aus. Sehr hübsch sogar, wie Schneewittchen nach einem Urlaub in der Sonne, mit ihren glatten, pechschwarzen Haaren, der niedlichen Stupsnase, den glänzenden Reh Augen und den herrlich weißen Zähnen. Nur ihr rechter vorderer Schneidezahn stand schief und schob sich leicht über den benachbarten, was der Harmonie ihrer Gesichtszüge aber keinen Abbruch tat.
    Eva hörte auf zu schluchzen und lachte nun ebenfalls. „Vielleicht können unsere Männer ja etwas unternehmen?“, fragte sie zögerlich, obwohl sie nicht glaubte, dass sich an ihrer Lage noch etwas ändern ließ. Aber die beiden Frauen schienen nett zu sein, wenn die Männer also wirklich nichts erreichen könnten, würden die nächsten Wochen hier vielleicht doch nicht ganz so schlimm werden.
     
    Am Abend durften sie ihre Kabinen verlassen und wurden in den Speisesaal geführt. Ohne sich abgesprochen zu haben, steuerten die drei Frauen, mit ihren Ehemännern an der Seite, auf den gleichen Tisch zu. Sie stellten sich gegenseitig vor und waren dankbar für die Spur von Vertrautheit, die sich dadurch ergab, dass sich die Frauen bereits namentlich kannten. Kurt schien überhaupt nicht gereizt zu sein, er gab jedem die Hand, lächelte sogar, und Johanna konnte ihre Erleichterung darüber kaum verbergen. Uwe
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