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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Autoren: Ulrike Renk
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Tilly und Onkel Hannes selten an den großen Familienfeiern der Amsincks in Hamburg teil, sie halten sich über die Feiertage lieber im biederen Krefeld auf.«
    Das ist es also, dachte Emilia und lächelte, ein Mann. Sie schob die Brille zurecht, die sie seit einigen Jahren brauchte, und las weiter.
    »Werner ist drei Jahre älter als ich und arbeitet in der Reederei seines Großvaters Martin.«
    Emilia stutzte. Martin Amsinck war der Großvater des jungen Mannes? Sie hatte Carola nie erzählt, dass sie einen der Amsincks gut gekannt hatte. Über die Jahre war der Kontakt eingeschlafen, aber Emilia erinnerte sich noch genau an Martin. Wäre Carl nicht gewesen, hätte sie Martin als Verehrer durchaus in die engere Wahl gezogen. In der Tat war er der Mann, auf den sie sich hätte einlassen können, von all den Bewerbern, die Tante Minna ihr vorgestellt hatte. Martin hatte Humor gehabt und großes Interesse an allen Neuerungen und Entwicklungen. Er war, wie man es heute nannte, fortschrittlichgewesen. In ihn hätte ich mich durchaus verlieben können, dachte sie und schmunzelte. Aber Carl war nun mal die Liebe ihres Lebens.
    »Tante Tilly wünscht jedoch keine Verbindung zwischen uns, dabei sind wir noch nicht einmal verwandt. Sie hält ihn für einen Hallodri, einen Tunichtgut, weil er nicht wohltätig arbeitet, so, wie Onkel Hannes und sie.«
    Ach, dachte Emilia, so kann es gehen. Meiner Tante war Carl nicht strebsam genug, Carolas Stiefmutter hingegen lehnte anscheinend die Strebsamkeit der Familie, in die sie eingeheiratet hatte, ab. Dabei konnten sie nur wohltätig sein, weil sie vom Familienvermögen lebten.
    »Sie wünscht sich für mich einen Idealisten, vielleicht einen Missionar oder einen Pfarrer. Ein Armenarzt oder ein Forscher wären ihre erste Wahl, aber sie hat noch keinen geeigneten Kandidaten gefunden. Am liebsten wäre es ihr, ich würde gar nicht heiraten, glaube ich. Natürlich kannst du dir nicht wirklich ein Urteil bilden, da du Werner nicht kennst, dennoch wünsche ich mir von dir einen Ratschlag. Mit Werner kann ich lachen und fröhlich sein. Er macht mich glücklich. Die Zeit mit ihm wird mir nie lang, wir können immer und immer miteinander reden, die Themen scheinen uns nicht auszugehen. Und nein, er ist kein Verschwender, kein egoistischer Mensch. Er kümmert sich sehr wohl auch um Hilfsprojekte, die die Familie Amsinck unterstützt. Ach Großmutter, ich liebe ihn doch, was soll ich nur tun?
    Deine Carola.«
    »Meine liebe Carola, mein Täubchen«, schrieb Emilia zurück. »Als ich in deiner Lage war, wohl einige Jahre jünger als du, wollte meine Tante, bei der ich lebte, dass ich mich ordentlich verheiratete. Ich hatte aber Großvater getroffen und mich hoffnungslos verliebt. Mit ihm konnte ich lachen und ich kann es immer noch. Mit ihm konnte ich reden und schweigen, es war nie quälend oder unangenehm. Das ist heute noch so. Er war und ist die Liebe meines Lebens. Meine Vormunde, Tante und Onkel, wollten nicht, dass wir heiraten. Er war nicht wohlhabend genug als Kapitän unter eigener Flagge. Viellieber hätten sie mich mit dem Sohn einer der Pfeffersäcke vermählt. Aber ich bin meinem Herzen gefolgt und habe deinen Großvater geheiratet. Das haben sie mir nie verziehen.
    Deine Mutter hat deinen Vater getroffen und sich in ihn verliebt. Die beiden teilten einen Traum, sie wollten Land bewirtschaften, einen Weinberg aufbauen. Dein Großvater war gegen diese Verbindung. Er sah nur die Schwierigkeiten, die das mit sich bringen würde. Damit hatte er recht. Was er nicht bedacht hatte, war die Liebe der beiden zueinander. Diese Liebe war stark und nicht zu unterschätzen. Ich erinnerte Großvater an unser Kennenlernen und wie meine Familie sich gesträubt hatte. Daraufhin lenkte er ein und gab deiner Mutter und deinem Vater den Segen. Ich weiß, mein liebes Kind, du trägst deinem Vater immer noch nach, dass meine geliebte Minnie, deine Mutter, so früh verstorben ist. Aber es war nicht seine Schuld, es waren die widrigen Umstände. Dein Vater hat alles für deine Mutter und euch getan, was in seiner Macht stand. Er liebte sie aufrichtig und sie ihn. Ich habe es nie bereut, dieser Ehe zugestimmt und deinen Großvater überredet zu haben, sein Einverständnis zu geben.
    Was ich damit sagen will, mein Täubchen, ist: Prüfe dich und dein Herz. Prüfe dich gut, denn eine Ehe währt ein Leben lang. Ist dies der Mann, mit dem du alt werden willst? Kannst du auch noch in zehn oder zwanzig Jahren
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