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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Autoren: Ulrike Renk
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Sanft nahm sie ihm das Kind aus den Armen und reichte es Tony.
    Wieder wandte Rudolph sich seiner toten Frau zu. »Meine Liebste, meine Liebste, wie soll ich nur ohne dich leben? Ich kann nicht ohne dich leben.«
    »Du hast Kinder, für die du leben musst«, sagte Emilia mit fester Stimme. »Für sie bist du verantwortlich, für sie musst du da sein. Sie haben ihre Mutter verloren, sie brauchen ihren Vater jetzt umso mehr.«
    »Wie soll ich das schaffen ohne Minnie? Wie soll ich leben ohne sie?«
    »Mit der Zeit, Rudolph, mit der Zeit wirst du es können.« Emilia berührte ihn sacht an der Schulter. Er wandte sich zu ihr, fiel ihr schluchzend um den Hals.
    »Emma, ich wollte das nicht. Ich wollte ihr ein schönes Leben bereiten. Ich wollte alles für sie tun.«
    »Das weiß ich und das wusste Minnie auch. Sie hat zuletzt von dir gesprochen, mich gebeten, dir zu sagen, dass sie dich geliebt hat. Und dass sie nichts bereut.«
    »Oh Gott«, stöhnte Rudolph. »Oh mein Gott. Warum? Warum nur?«
    »Es war eine Lungenentzündung. Der Arzt war hier, aber er konnte nichts mehr tun.«
    Emilia hielt den verzweifelten Mann fest, versuchte, ihm Trost zu spenden und ihre eigene Trauer und Verzweiflung zu unterdrücken.
    Plötzlich hörte sie Schritte auf der Treppe. Es war Ende September und schon ziemlich warm. Die Vorschriften bei einem Todesfall waren streng, morgen würden sie Minnie beerdigen müssen. Carl war in die Stadt gegangen, um alles zu regeln.
    Emilia fürchtete sich vor der Begegnung der beiden Männer, denn sie ahnte, dass Carl Rudolph für Minnies Tod verantwortlich machen würde.
    Carl kam hinein, blieb an der Tür stehen und schnaufte, als er seinen Schwiegersohn sah. Rudolph schien in sich zusammenzusacken.
    »Es tut mir leid«, flüsterte er. »Es tut mir so leid.«
    Carl ging auf ihn zu, berührte seine Schulter, zog ihn dann von Emilia in seine Arme und drückte ihn an sich.
    »Es tut uns allen leid.«
    »Ich wollte das nicht«, sagte Rudolph mit gebrochener Stimme.
    »Ich weiß. Du hast sie geliebt und sie dich.«
    »Du bist doch schuld!« Es war Carola, die aufgestanden war und ihren Vater voller Verachtung ansah. »Du hast Mama alleingelassen.«
    Dann rannte das Mädchen aus dem Zimmer und die Treppe hinunter, die Tür zum Hof fiel krachend ins Schloss.
    Rudolph wollte ihr folgen, doch Emilia hielt ihn zurück. »Ich rede mit ihr.«
    Sie fand das Kind hinten im Garten. Carola hatte die Hofkatze in den Armen und weinte bitterlich in das Fell des Tieres.
    Emilia setzte sich neben sie. »Weine, schreie, sei wütend, böse, enttäuscht und verzweifelt. All diese Gefühle stehen dir zu.«
    »Großmutter, was soll denn nur werden?«
    »Das wird sich finden, mein Kind.«
    Carola seufzte, dann drückte sie sich an Emilia. »Ich hasse ihn«, murmelte sie.
    »Wen?«
    »Papa. Er hat Mama umgebracht. Wenn wir nicht die Farm aufgegeben hätten, wäre Mama noch am Leben.«
    Emilia hielt die Luft an, zählte bis zehn. »Weißt du das ganz sicher, Carola?«
    »Ja!«, sagte das Kind überzeugt.
    »Deine Mama war krank. Schon länger. Sie war krank und erschöpft. Auf der Farm war ihr Leben noch härter als in der Stadt. Sie musste sich um die Tiere und den Garten kümmern. Es war viel Arbeit. In der Stadt brauchte sie das nicht.«
    Carola hob den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Das stimmt«, sagte sie überrascht.
    »Dein Vater hat deine Mutter sehr geliebt. Er wollte alles für sietun. Warum Gott sie schon jetzt zu sich gerufen hat, wissen wir nicht, nur der Herr allein.«
    »Ja, Großmutter.«
    »Dein Vater und deine Geschwister brauchen dich jetzt, Carola. Es ist nicht die Zeit, einander Vorwürfe zu machen. Du darfst trauern und wütend sein, aber du darfst deinem Vater keine Schuld geben.«
    Das Mädchen senkte den Kopf. »Ja, Großmutter.« Und dann schluchzte sie wieder.
    »Weine ruhig, weine«, sagte Emilia. »Das hilft.«
    Sie wuschen Minnie und zogen ihr ein schönes Kleid an, machten sie zurecht. Es sah so aus, als würde sie friedlich schlafen, aber ihre Haut wurde schon wächsern. Sie würde am nächsten Tag in der Familiengrabstätte neben ihrer Schwester Susan beerdigt werden. Es gab noch viel zu tun an diesem Tag. Sie mussten Formulare ausfüllen, und Essen für die Beerdigung musste gekocht werden. Endlich hatte Emilia alles erledigt. Müde ging sie nach oben. Ihre Augen brannten vor ungeweinten Tränen, für die sie keine Zeit gehabt hatte.
    Carl hatte sich schon hingelegt, Emilia
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