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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Autoren: Ulrike Renk
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Carola etwas leichter machen.«
    Zwei Tage später hatte Carl alles geregelt. »Ich fahre nach Europa. Ich habe eine Order bekommen, die zwar keinen großartigen Gewinn bringt, aber so ist die Fahrt wenigstens auch kein Verlust für uns.«
    »Nimm May mit. Sie hat die Schule beendet und es wäre für sie eine gute Erfahrung. Außerdem kann sie sich um Carola kümmern. Die beiden hängen sehr aneinander.« Sie senkte den Kopf. »Alle hängen aneinander«, fügte sie flüsternd hinzu.
    Carl umarmte sie. »Es ist schwer, sie gehen zu lassen. Aber für dich ist es am schlimmsten, das weiß ich.«
    »Carola ist Minnie so ähnlich. Sie liebt es, im Garten zu arbeiten, sie ist so ruhig und friedlich. Es ist, als würde unsere Minnie in ihr weiterleben.«
    »Das tut sie auch.«
    Rudolph stimmte den Reiseplänen zu. Die wenigen Wochen bis zur Abfahrt der »Centennial« vergingen viel zu schnell, und dann standen sie schon am Kai. Emilia versuchte, tapfer zu sein und ihre Tränen zurückzuhalten. Aber als Carola die Arme um ihren Hals schlang, sie fest drückte und dabei schluchzte, konnte sie sich kaum noch halten.
    »Wir schreiben uns, Täubchen. Wir schreiben uns jede Woche, einverstanden? Dank der Briefe sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt, du wirst sehen.«
    »Werde ich irgendwann zurückkommen?«, fragte das Kind voller Verzweiflung.
    »Bestimmt.«
    Die Pfeife erklang und zeigte an, dass es Zeit war, auf das Schiff zu gehen. May küsste ihre Mutter herzlich, hüpfte dann die Gangway empor. Für sie war es ein großes Abenteuer, mit der Sicherheit, in einigen Wochen wieder zurück in Australien zu sein. Carola, die May an der Hand führte, sah sich immer wieder um.
    Rudolph war geschäftlich unterwegs, er hatte es nicht geschafft, seine Tochter zu verabschieden.
    Vielleicht ist das auch besser so, dachte Emilia bitter, als das Schiff ablegte. Zumindest war Carola bei Carl sicher, er würde auf sie aufpassen wie auf seinen Augapfel.
    Als das Schiff den Hafen verlassen hatte und nicht mehr zu sehen war, drehte Emilia sich um und ging langsam zurück nach Glebe. Die anderen Kinder warteten dort, sie brauchten sie.
    Emilia hielt ihr Versprechen und schrieb ihrer Enkelin regelmäßig. Arthur, Hermine, Elsa und Billy wurden im Haushalt der Lessings groß. Rudolph besuchte sie oft, er heiratete nie wieder. Er war als Immobilienmakler erfolgreich.
    Alle Kinder von Emilia und Carl heirateten und gründeten eigene Familien bis auf Tony. Sie zog Minnies Kinder mit groß, wohnte bis zu ihrem Tod mit Bill, dem Jüngsten der fünf, zusammen.
    Auch die anderen Enkelkinder waren oft bei Lessings. Emilia half ihren Töchtern, wann immer sie konnte. Zu Weihnachten trafen sich die stetig wachsenden Familien und feierten gemeinsam.
    Carls Dampfer »Centennial« wurde von einem anderen Schiff im Hafen von Sydney gerammt. Ein Matrose starb infolge des Unfalls. Carl war nicht schuld an dem Unglück, dennoch gab er seinen Beruf auf und blieb von da an zu Hause. Die Familienbande waren eng und die Kinder unterstützten die Eltern.
    »Liebste Großmutter«, schrieb Carola 1908 an Emilia. »Ich hoffe, es geht dir gut und du und Großvater erfreut euch bester Gesundheit. Ich für meinen Teil bin sehr unglücklich. Es fällt mir schwer, dir darüber zu schreiben, aber ich weiß sonst niemanden, dem ich mein Herzausschütten könnte. Du bist Großmutter und Mutter für mich gewesen, Vertraute und mein Fels im Leben. Ich vermisse dich manchmal so sehr, dass es weh tut. Das klingt so, als wäre ich undankbar. Tante Tilly hat mich aufgenommen und mich immer so behandelt, als sei ich ihr leibliches Kind, ich habe alles bekommen, sie und Onkel Johannes kümmern sich rührend um mich.«
    Emilia ließ den Brief sinken und seufzte. Viel lieber hätte sie diese Worte gehört und nicht gelesen. Irgendetwas bereitete Carola großen Kummer, das stand zwischen den Zeilen in unsichtbaren Großbuchstaben. Sie nahm den Brief wieder hoch und las weiter.
    »Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, habe eine gute Ausbildung genossen und arbeite bei meinem Adoptivvater in der Praxis. Man kann also sagen, dass ich fest im Leben stehe und kein unvernünftiges Wesen bin. Nun sagt aber genau dies meine Adoptivmutter, Tante Tilly. Ich muss dir, liebste Großmutter, dies genauer erklären. Vor einigen Monaten habe ich einen Neffen von Onkel Hannes kennengelernt. Werner Amsinck. Diese Familie ist so groß, dass ich immer noch nicht jeden kenne. Außerdem nehmen Tante
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