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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Autoren: Ulrike Renk
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stand.
    »Ach je.« Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe. Sonst macht das Inken.«
    »Oder Sofie«, sagte Emilia zaghaft.
    »Verstehe.« Er richtete sich auf, reckte sich, packte dann das Kind und nahm es huckepack. »Dann marschieren wir beide nach oben und ich helfe dir.«
    »Martin?«, sagte sein Bruder fragend. »Was machst du?«
    »Ich helfe meiner Tochter.«
    »Das schickt sich nicht.«
    »Mag sein, aber deine Frau will aus dem Bad und du willst rein. Meine Frau bekommt ein Kind und wir haben nur zwei Mägde.« Er zuckte mit den Schultern. »Ösen und Schlaufen öffnen kann ich.«
    Dann trug er Emilia die Treppe hoch.
    »Ich wollte lieb sein und alles richtig machen«, sagte sie kaum hörbar.
    »Du machst alles prima. Aber du musst jetzt dieses Kleid ausziehen, bevor dich alle für einen Bierkutscher halten.« Er lachte leise und stellte sie in der Mitte ihres Zimmers auf den Boden. Der Feuerschein war deutlicher als zuvor zu sehen. Martin ging zum Fenster und schaute in Richtung Stadt. »Der Herr sei uns gütig«, murmelte er.
    Emilia löste den Knoten der Schürze, legte sie auf ihr Bett und seufzte dann laut. »Mehr schaffe ich nicht allein, Vater.«
    »Was?« Er drehte sich zu ihr um. »Ach je, komm her. Warum müsst ihr Weiber auch so komplizierte Kleidung tragen?« Nach und nach löste er jede Schlaufe und Öse, jedes Häkchen. Dann zog er sie aus dem Kleid.
    »Das ist nur die Sonntagskleidung«, sagte Emilia ernst. »In der Woche kann ich mich fast schon allein anziehen.«
    Martin lachte leise. »Dann ist es ja gut.«
    In diesem Moment hörten sie wieder einen Schrei aus dem Schlafzimmer.
    »Geh runter«, sagte er. »Iss etwas. Ich schau mal nach deiner Mutter.«
    Ohne sie noch einmal anzusehen, verließ er das Zimmer.
    Emilia stand in ihrer Unterwäsche da, zog die Schultern hoch. Das konnte er nicht so gemeint haben, sie konnte nicht so nach unten gehen. Rasch nahm sie sich eines der Kleider aus dem Schrank, dassie nur über den Kopf zu ziehen brauchte. Eine frische Schürze und gut. Strümpfe hatte sie den ganzen Tag schon nicht getragen, und dass der Saum der Wäschehose fast schwarz war, würde hoffentlich niemand bemerken. Sie strich mit der Bürste einmal kurz durch ihre Haare und sah sich im Spiegel an. Grau sah ihr Gesicht aus, dreckig und erschöpft. Und ihr Magen knurrte. Sie schaute zum Fenster hinaus und sah die dunkelroten Flammen unter den Wolken. Immer noch brannte Hamburg lichterloh.
    Auf der Küchenbank saß die Hebamme und trank einen Becher Bier. »Der Krug ist leer«, sagte sie mürrisch.
    Mats griff nach dem Krug und nahm einen weiteren vom großen Kasten in der Ecke. »Bei dem Wetter haben wir alle Durst.«
    Erleichtert sah Emilia ihm hinterher. »Wo sind denn Tante und Onkel?«, fragte sie Inken verwundert.
    »Deine Tante liegt in der Stube auf der Chaiselongue, mit einem kühlen Tuch auf der Stirn.« Inken biss die Zähne zusammen. »Und dein Onkel ist in der Badekammer und säubert sich. Sobald er fertig ist, werde ich den Ofen erneut anfeuern und die Wäsche waschen müssen.«
    »Hast du noch Eier und Speck?«, fragte die Hebamme.
    Inken stellte die Schüssel auf den Tisch. Auch Emilia nahm sich. Das Essen tat gut, aber sie spürte, wie ihr immer wieder die Augen zufielen.
    »Das wird eine lange Nacht werden«, sagte die Hebamme.
    »Eine weitere lange Nacht? Ist denn kein Ende abzusehen?« Inken seufzte laut. »Die arme Herrin.«
    »Hast du eine Henne, der du den Kopf umdrehen kannst? Eine kräftige Brühe wird sie brauchen, wenn alles vorbei ist. Sie ist jetzt schon sehr geschwächt. Möge der liebe Gott seine Hände schützend über sie halten.«
    »Der liebe Gott«, schnaubte Mats und stellte die Krüge mit dem würzigen Bier auf den Tisch, »scheint uns alle vergessen zu haben.«
    »Mats!«, rief Inken entsetzt.
    »Ist doch wahr«, sagte er wütend. »Ich hoffe, die Familie meinerSchwester ist dem Feuer entkommen. Ihr Hab und Gut werden sie nicht gerettet haben. Wie vielen anderen mag es genauso gehen? Was ist mit deiner Familie, Inken?«
    »Ich habe noch nichts gehört.« Sie faltete die Hände und schien ein stilles Gebet zu sprechen.
    »Bursche!«, rief der Onkel aus der Badekammer. »Bring mir etwas zum Anziehen!«
    »Hier!« Martin Bregartner kam in die Küche. Über dem Arm trug er Kleidungsstücke. »Gib dies meinem Bruder.«
    Inken sah ihn fragend an, doch er schüttelte den Kopf.
    Die Hebamme erhob sich stöhnend. »Dann werde ich mal nach Eurer Frau
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