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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Autoren: Ulrike Renk
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Stadt. Ole, du solltest besser hierbleiben, um die Frauen zu unterstützen«, sagte der Vater. »Mein Bruder und seine Frau werden eine Zeitlang bei uns wohnen müssen.«
    Plötzlich wieherte eins der Pferde im Stall, ein anderes Pferd antwortete. Dann hörten sie Hufgetrappel auf dem Kies.
    »Nanu?« Martin Bregartner stand auf und ging zur Küchentür. »Ole, da ist mein Bruder. Versorg sein Pferd.«
    »Jawohl, gnädiger Herr«, seufzte Ole. Er sah bedauernd auf die dampfende Schüssel mit dem Eintopf, von dem er kaum drei Löffel gegessen hatte.
    »Hinrich. Wir wollten gleich wieder los«, sagte Martin. »Komm rein, komm!«
    Hinrich betrat die Küche. Er sah genauso müde und verdreckt aus wie die anderen Männer nach ihrer Ankunft. Der Gestank von angesengtemHaar und verbrannter Wolle breitete sich in der Küche aus. Emilia hielt die Luft an.
    »Es ist alles verloren«, sagte Hinrich. »Heute Morgen noch haben sie den Gottesdienst in der Nikolaikirche abgehalten und gebetet. Heute Mittag gab es noch einen Gottesdienst, doch die Kirche war nicht mehr zu retten. Wir haben alles versucht, aber wir haben es nicht geschafft. Vor einer Stunde ist der Turm eingestürzt.« Er schaute seinen Bruder an und schüttelte den Kopf. »Die Glocken haben noch geläutet, dann fiel der Turm in sich zusammen. Ist das ein Zeichen Gottes, Bruder? Ist das ein Zeichen?«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Martin leise. »Warum sollte Gott uns so strafen wollen? Komm, setz dich.«
    Hinrich schaute an sich herab. »Ich werde die ganze Küche verschmutzen.«
    »Das macht nichts, das kann man wieder in Ordnung bringen. Deine Frau ist gerade in der Badestube. Mats, hol Wasser, damit wir es für meinen Bruder erwärmen können.« Er schenkte einen Becher voll mit Branntwein und reichte ihn seinem Bruder. »Trink!«
    »Unsere Dienerschaft hat sich retten können«, sagte Hinrich, trank gierig und hielt seinem Bruder den Becher abermals hin. »Sie sind bei ihren Familien. Gregor hat mich noch getroffen, bevor ich losgeritten bin.«
    »Immerhin«, sagte Martin. »Sie können auch hier unterkommen für die nächste Zeit. Es ist noch Platz im Gesindetrakt und im rechten Flügel.«
    »Wir können dich doch jetzt nicht so belasten.« Hinrich zog die Stirn in Falten. »Wie steht es um deine Frau?«
    Martin schüttelte den Kopf. »Sie ist noch in den Wehen. Die Hebamme sagt, es wird noch dauern.«
    »Möge Gott geben, dass wenigstens das gutgeht«, seufzte Hinrich.
    Ja, dachte Emilia, bitte, lieber Gott, lass alles wieder gut werden. Sie ging in den Keller und holte einen Krug Bier.
    Inken stand am Herd, rührte in Töpfen und Pfannen. Onkel Hinrich saß zusammengesunken auf der Bank und seufzte. Er hobden Kopf, als sie den Krug abstellte, griff danach und füllte die Becher.
    »Prost, Bruder.« Sein Atem roch nach Weinbrand, er lallte leicht.
    Martin Bregartner nahm einen Becher und trank. Dann schaute er seinen Bruder an. »Du bist hier kein Gast, dies ist unser Elternhaus, es ist dein Haus wie meins.«
    Hinrich nickte. »Da sprichst du ein wahres Wort gelassen aus.« Er nahm einen weiteren großen Schluck. »Ich mag nicht an unser Haus denken. Mir zerreißt es das Herz.«
    Mats kam in die Küche. »Inken, die gnädige Frau verlangt nach dir. Sie ist fertig mit dem Bad, hat aber nichts zum Anziehen.« Er grinste schief.
    »Du lieber Gott«, stieß die Magd hervor. »Daran habe ich ja gar nicht gedacht.« Sie nahm die Pfanne vom Feuer und stellte den Topf neben die Kohlen. »Das braucht nicht mehr lange. Es muss nur noch ziehen.« Die Pfanne mit Rührei und Speck stellte sie auf den Tisch, dazu einen großen Topf Sülze, Butter und Brot. »Nehmt euch.«
    Dann eilte sie in die Diele und lief nach oben.
    »Täubchen, du riechst, als wärst du ins Bierfass gefallen«, sagte der Vater zu Emilia und zwinkerte ihr zu. »Du solltest dich umziehen.«
    »Ja, Vater.« Emilia blieb unschlüssig am Tisch stehen. Allein konnte sie sich nicht ausziehen, geschweige denn etwas Neues anziehen. Sofie war bei Mutter, Inken kümmerte sich um Tante Minna. Sie hatten keine Zofe oder ein Kindermädchen.
    »Kind, willst du nicht auf deinen Vater hören?«, sagte Hinrich und schenkte sich wiederum ein.
    »Emilia?« Martin Bregartner sah seine Tochter fragend an. »Ist noch etwas?«
    »Nein, Vater.« Sie verließ die Küche, machte jedoch in der Diele kehrt. »Ich kann die Schlaufen und Schließen nicht allein lösen«, sagte sie leise, als sie wieder vor ihrem Vater
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