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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Autoren: Ulrike Renk
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setz dich auf die Bank und lass deinen Vater essen.« Inken klang fröhlich, aber es wirkte nicht echt. Sie wich dem Blick der Tante aus und stellte eine Schüssel mit dem dampfenden Eintopf auf den Tisch, legte ein Stück Brot daneben. »Und iss. Ihr Bad sollte gleich fertig sein, gnädige Frau«, sagte sie dann zu Tante Minna.
    Wieder wechselten die Erwachsenen stumme Blicke. Emilia zog fröstelnd die Schultern hoch. Langsam ging sie zur Küchenbank und setzte sich neben die Tante.
    »Ich habe für alle gebetet«, sagte sie leise. »Wir waren in Ottensen in der Kirche. Alle zusammen. Die Jörgensens und ich.«
    »Das ist fein, mein Kind«, sagte ihr Vater.
    »Lieber Herr Jesus, ihr lasst das Kind SO in die Kirche gehen? Wer hat denn das Kleid geflickt? Etwa die alte Sofie? Die kann ja kaum mehr einen Löffel halten. Warum gebt ihr sie nicht ins Armenhaus?«
    Emilia hätte in den Boden versinken mögen, doch dort tat sich kein Loch auf. Inken ging um den Tisch herum, besah sich das Kleid und grinste zu Emilias Erstaunen. »Hast du das selbst versucht?«, flüsterte sie. Emilia nickte.
    »Wilhelmina, Sofie ist schon ihr Lebtag in dieser Familie. Sie hat meinen Bruder und mich großgezogen, hat unsere Mutter unterstützt«, sagte Martin Bregartner mit leiser, aber keineswegs freundlicherStimme. So sprach er immer mit Emilia, wenn er nicht zufrieden mit ihr war. »Ich werde den Teufel tun und Sofie auf die Straße setzen oder ins Armenhaus geben, nur weil sie inzwischen alt ist und keine Familie hat, die sie aufnehmen kann. Wir sind ihre Familie.« Er räusperte sich. »Dies ist ein schwerer Tag für uns alle. Wir sollten versuchen, ihn so gut wie möglich hinter uns zu bringen.«
    Mats kam in die Küche. Auch er hatte sich gewaschen und umgekleidet. »Ich habe den Badezuber gefüllt, gnädige Frau«, sagte er und verbeugte sich leicht. Sein Gesicht war grau vor Müdigkeit.
    »Schön. Hilfst du mir, Inken? Ich hoffe, ihr findet unser Personal noch in dem Chaos. Vermutlich werden sie bei ihren Familien Zuflucht gesucht haben. Aber bis dahin …« Sie warf Inken einen eindringlichen Blick zu.
    »Aber selbstverständlich, gnädige Frau.« Inken folgte Tante Minna in die Badestube. Sie ging nicht so forsch und schnell wie sonst, wunderte sich Emilia.
    »Mats, du und Ole, ihr könnt euch noch zwei Stunden ausruhen, doch dann sollten wir wieder los.« Emilias Vater schaute durch das Fenster in den Küchenhof. Es war düster, immer noch schneite es Asche. »Wir müssen meinen Bruder unterstützen.«
    »Sehr wohl, gnädiger Herr.«
    »Habt ihr schon gegessen?«
    Mats knüllte seine Mütze zwischen den Fäusten und blickte verlegen auf den Küchentisch, an dem sich normalerweise das Gesinde zum Essen versammelte.
    »Nein. Wir wollten Euch nicht stören«, murmelte er.
    Martin Bregartner sah verwundert auf, dann schien er zu begreifen. »Du lieber Himmel, hol Ole und dann setzt ihr euch und esst. Das Essen ist gut und reichhaltig.« Er überlegte kurz. »Und bring uns einen Krug Branntwein aus dem Keller. Den können wir jetzt gebrauchen.« Dann wandte er sich Emilia zu. »Was ist mit deinem Kleid geschehen?«
    »Oh Vater«, sie senkte beschämt den Kopf. »Ich bin gestürzt und habe das Kleid zerrissen. Es war keine Absicht und ich hatte mir sovorgenommen, heute besonders vorsichtig zu sein. Dreckig habe ich mich auch gemacht.« Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen.
    »Kind, wohl kaum einer wird an diesem Tag sauber bleiben können.« Er strich sich über die Stirn. Dann lauschte er. Oben konnte man Schritte hören, manchmal ein Wehklagen oder einen Schrei. Doch es war nicht so wie sonst, dachte Emilia. Die Schreie klangen nicht ganz so verzweifelt wie bei den Malen zuvor.
    Ole und Mats setzten sich zögernd zu ihrem Herrn an den Tisch. Sie rochen nach der grünen Seife, die Inken auch für die Wäsche und den Boden benutzte. Sofie kochte immer noch die Seife für den Haushalt, auch wenn man diese Dinge auf dem Markt für ein paar Pfennige erwerben konnte. Auch buken sie ihr Brot selbst und räucherten im Herbst die beiden Schweine, die hinter dem Nutzgarten gehalten wurden und die Küchenabfälle bekamen. Tante Minna lachte oft darüber. »Die Familie ist wohlhabend«, hatte sie zu Mutter gesagt. »Aber ihr verhaltet euch wie arme Bauern.«
    »Geld haben kommt von Geld halten«, hatte die Mutter geantwortet. Den Satz hatte Emilia nicht verstanden, aber sie hatte ihn sich gemerkt.
    »Mats und ich fahren gleich wieder in die
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