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Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman

Titel: Die Augenblicke des Herrn Faustini - Roman
Autoren: Haymon
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um die herum sie etwas blass war. Ob man sich um sie sorgen musste? Vielleicht war es doch eine Polka zu viel gewesen.
    Herr Faustini erhob sich, oder er deutete an sich zu erheben, während Frau van der Hooch in Begleitung ihrer Handtasche müde über die Tanzfläche ging.
    Herr van der Hooch rückte seinen Sessel näher, ergriff sein Glas und stieß mit Herrn Faustini an.
    Ein Hoch auf den Tänzer!, meinte er. Sie sind meines Wissens der Erste, der meiner Frau so zusetzt. Normalerweise ist es umgekehrt. Aber das kann ihr mal nicht schaden. Wenn es nach ihr ginge, müssten wir noch mindestens zehn Kreuzfahrten und eine Weltreise machen. Sie hat eben zu viel Energie! Mit ihr komme ich gar nicht dazu, mich alt zu fühlen. Ich kann es mir nicht leisten, alt zu sein. Wenn ich schlappmache, dann fährt sie eben alleine. Unter uns gesagt, manchmal geht sie ein bisschen weit. Wenn ich sie mal aus den Augen lasse, sitzt schon ein wildfremder Mann an ihrem Tisch. Ich kann es kaum wagen, auf die Toilette zu gehen. Nicht dass ich eifersüchtig wäre. Aber ich muss sie vor ihrem Temperament beschützen, verstehen Sie?
    Herr Faustini nickte stumm.
    Letztes Jahr haben wir eine Atlantik-Kreuzfahrt gemacht, fuhr Herr van der Hooch fort. Nach New York in acht Tagen. Meine Frau hat jeden Nachmittag und Abend getanzt. Raten Sie mal, mit wem. Herr Faustini zog einen Entenmund.
    Zum Glück gibt es die Agentur Gentlemen Host , fuhr Herr van der Hooch fort. Das sind großartige Jungs im reiferen Alter. Die sind zuständig für alleinreisende Damen oder eben für solche, deren Mann ein Tanzmuffel ist wie ich. Und das sind nicht wenige. Die Jungs hatten alle Hände voll zu tun. Eine steinreiche Witwe aus Texas trug so schwere Diamantohrringe, dass wir uns ernsthaft Sorgen um ihr Gleichgewicht machten. Zwar spürte man den Seegang auf der Queen Mary 2 nicht. Aber die alte Dame war nicht mehr so gut zu Fuß. Kaum auf der Tanzfläche, flog sie dahin wie ein junges Ding! Sie blühte jeden Abend noch mehr auf. Am Ende wollte sie gar nicht runter vom Schiff. Es hieß, sie fahre diese Strecke jeden Monat, manchmal sogar zweimal, und zwischendurch Karibik. Sie war ganz allein und wusste nicht, wohin mit ihrer Zeit und dem vielen Geld. Jeder Tänzer hatte bei ihr seinen Kosenamen. Ich glaube, sie liebte sie alle. Sie schäkerte, dass sich das Parkett bog. Die Jungs sind angewiesen, sich ihren Tanzpartnerinnen gegenüber korrekt und stets liebenswürdig zu verhalten. Keine Intimitäten, das unterschreiben die mit dem Vertrag bei Gentlemen Host . Aber ein paar heimliche Geschenke in Ehren werden da sicher angenommen. Hut ab vor den Tänzern! Das sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Jeder von denen hat ein Berufsleben hinter sich, eine Scheidung, was auch immer ihn aufs Schiff gebracht hat. Die ideale Altersversorgung für einen, den es hinauszieht in die Welt. Wäre das nichts für Sie? Sie tanzen wie ein junger Gott, und Englisch können Sie bestimmt.
    Herr Faustini nahm gerade einen Schluck von seinem Weinglas, womit ihm eine Antwort erspart blieb. Er sah den großen Tanzsaal hoch oben im Kreuzfahrtschiff vor sich, und ihm schien, er kenne die Witwe aus Texas von einem eben noch getanen Tanz. Hatte Herr van der Hooch womöglich Recht? Wäre ein zeitweiliges Leben als Kreuzfahrtschifftänzer etwas für ihn? Meer hätte er jedenfalls genug um sich auf dem Schiff. Und an Weite, nach der er sich im kleinen Hörbranz doch immer wieder sehnte, ohne es sich so recht einzugestehen, an Weite würde es ihm auch nicht mangeln. Er würde New York sehen und Rotterdam, Hamburg und, wer weiß, ferne Inseln im fernsten Ozean, wo immer das tanzende Schiff belieben würde anzulegen zum Vergnügen der betuchten Damen und ihrer tanzunbegabten Gatten. Herr Faustini sah sich im weißen Leinenanzug die Gangway hinunterschreiten und ins Marktgetümmel von Hong Kong, von Bombay und Honolulu eintauchen. Herr Faustini sollte wohl ein Mann von Welt werden mit Spazierstock und allen Schikanen? Als Grandseigneur tanzend um die Welt dampfen? Und dafür auch noch bezahlt werden? Er wunderte sich über sich selbst, als ihn ein rasch vorbeiziehender Dampfer, dessen Bugwelle die Rheingold stark schwanken ließ, aus seinen Karibikgedanken und seinem weißen Leinenanzug riss.
    Herr Faustini saß in ziviler Kleidung im Tanzsaal der Rheingold , als der Kellner neuen Wein brachte.
    Sie ist schon eine muntere Person, meine Frau, meinte Herr van der Hooch, hob sein Glas und stieß mit
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