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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman
Autoren: Heyne
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diesem Mann etwas antaten.
    Das Schwert schwankte. Dann ließ Galen es sinken, bis die Spitze das gefrorene Kopfsteinpflaster berührte.
    »Lasst sie passieren«, murmelte er. »Vielleicht hat er gemordet, vielleicht nicht - ich weiß nur, dass es sich um königlichen Mist handelt, und in den werde ich nicht treten, damit ich nicht im Treibsand von Königen und Prinzen untergehe.«
    »Du hattest eine kluge Mutter, Goshawk«, sagte Ben Staad grimmig.
    »Ja, lasst ihn passieren«, sagte eine zweite Stimme unerwartet. »Bei den Göttern, ich werde meine Klinge nicht gegen jemanden erheben, der so aussieht - ich bin mir sicher, die Hand würde mir verbrennen.«
    »Ich werde mich eurer erinnern«, sagte Peter. Er drehte sich zu seinen Freunden um. »Folgt mir jetzt«, sagte er. »Und zwar rasch. Ich weiß, was ich brauche, und ich weiß, wo ich es bekomme.«

    In diesem Augenblick stürmte Flagg aus dem Tor der Nadel heraus, und ein so wütendes Geheul schwoll in der Nacht an, dass die jungen Männer der Wache jeglicher Mut verließ. Sie drehten sich um, liefen davon und zerstreuten sich in alle vier Himmelsrichtungen.
    »Kommt«, sagte Peter. »Folgt mir. Zum Westtor!«

136
    Flagg lief wie noch niemals zuvor in seinem Leben. Jetzt spürte er die bevorstehende Vereitelung all seiner Pläne, und zwar praktisch im letzten Augenblick. Das durfte nicht geschehen. Und er wusste so gut wie Peter, wo alles enden musste.
    Er eilte an den zusammengekauerten Wachen vorbei, ohne sich umzusehen. Sie seufzten erleichtert auf und dachten, er habe sie nicht gesehen … aber er hatte sie gesehen. Er sah sie alle und prägte sich ihre Gesichter ein; wenn Peter tot war, würden ihre Köpfe ein Jahr und einen Tag die Mauern zieren, dachte er. Und was den Balg anbetraf, der die Gruppe angeführt hatte, er würde zuvor im Kerker tausend Tode sterben.
    Er lief unter dem Westtor hindurch, den Westlichen Hauptgang entlang und ins Schloss hinein. Schläfriges Volk, das sich in den Nachtgewändern herausgewagt hatte, um nachzusehen, was der Lärm zu bedeuten hatte, erstarrte vor seinem weißen Gesicht und wich beiseite, wobei sie den ersten und letzten Finger einer Hand hochhielten, um Böses abzuwenden … denn nun sah Flagg endlich wie das aus, was er wirklich war: ein Dämon. Er sprang über das Geländer der ersten Treppe, die er erreichte, landete auf den Füßen (das Eisen seiner Absätze schlug grüne Funken gleich den Augen von Luchsen) und rannte weiter.
    Zu Rolands Gemächern.

137
    »Das Medaillon«, sagte Peter keuchend zu Dennis, während sie rannten. »Hast du noch das Medaillon, das ich dir heruntergeworfen habe?«
    Dennis griff sich an die Kehle und spürte das goldene Herz - an dessen Spitze Peters Blut getrocknet war. Er nickte.
    »Gib es mir.«
    Dennis gab es ihm, während sie liefen. Peter schlang die Kette nicht um den Hals, sondern wickelte sie sich um die Faust, so dass das Herz hüpfte und sich drehte, während er lief, und rotgolden im Licht der Wandfackel funkelte.
    »Gleich, meine Freunde«, keuchte Peter.
    Sie bogen um eine Ecke. Und Peter sah die Tür zu Rolands Gemächern. Dort hatte er seinen Vater zum letzten Mal gesehen. Er war König gewesen, verantwortlich für das Leben und Schicksal Tausender. Und er war auch ein alter Mann gewesen, dankbar für ein wärmendes Glas Wein und ein paar Minuten des Gesprächs mit seinem Sohn. Hier würde es enden.
    Einst hatte sein Vater einen Drachen mit einem Pfeil erlegt, der Feind-Hammer hieß.
    Jetzt, dachte Peter, in dessen Schläfen das Blut pulsierte und in dessen Brust das Herz heftig schlug, muss ich versuchen, einen anderen Drachen zu töten, einen viel größeren, und zwar mit demselben Pfeil.

138
    Thomas entzündete das Feuer im Kamin, zog den Mantel seines Vaters an und rückte den Sessel dicht an den Kamin. Er spürte, dass er bald fest einschlafen würde, und das war sehr gut. Aber während er im Sessel saß und wie eine Eule nickte, wobei er die an den Wänden angebrachten Trophäen mit ihren Glasaugen betrachtete, die im flackernden Schein des Feuers unheimlich glitzerten, fiel ihm ein, dass er sich noch zwei Dinge wünschte - fast heilige Dinge, die er sicher nicht anzufassen gewagt hätte, als sein Vater noch lebte. Aber Roland war tot, und daher hatte Thomas sich auf einen Stuhl gestellt und den großen Bogen sowie den Pfeil Feind-Hammer von der Wand über Neuners Kopf genommen. Einen Augenblick hatte er direkt in die grüngelben Augen des Drachen gesehen. Er
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