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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten
Autoren: Stanislaw Lem
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ausgelegt; sie trugen eine dünne Staubschicht. Als ich zufälligerweise das Lichtbündel des Reflektors seitwärts richtete, bemerkte ich auf der grauen Oberfläche eine Reihe dunkler Flecke. Bei näherem Hinschauen erkannten wir deutlich ovale Spuren von vielleicht vier Zentimeter Durchmesser. Sie sahen aus, als wäre jemand auf Stelzen, die in ovalen Beschlägen endeten, hier entlanggegangen. Arsenjew maß den Abstand zwischen zwei Spuren; er betrug sechsunddreißig Zentimeter. Wir folgten ihnen durch eine lange, allmählich abfallende Galerie, die immer enger wurde, bis sie schließlich einen Stollen mit geneigten Wänden bildete. Stellenweise, dort, wo kein Staub lag, verloren wir die Spur aus den Augen. Aber schließlich gab es keinen anderen Weg als diesen. Plötzlich machte der Stollen eine Biegung. Die glatten Wände gingen in gewachsenen Fels über. Zwischen den Falten des Gesteins befand sich eine schwarze Öffnung. Der Boden davor war mit einer Schicht von hart gewordenem, braungrauem Schlamm bedeckt, in dem sich die Spuren deutlich als ovaleVertiefungen abzeichneten; sie führten in das dunkle Loch.
    Wir mußten uns kriechend vorwärts bewegen. Die Wände dieses natürlichen Ganges bestanden aus unebenem Gestein. Früher einmal mochte hier ein unterirdischer Bach hindurchgeflossen sein. An den engeren Stellen, wo das Wasser sich mit größerer Kraft seinen Weg bahnen mußte, waren die Wände glatt. Da und dort zeigten sich in dem steinharten Ton wieder die ovalen Abdrücke. Hier und da trommelten kleine Steinchen, die von der Decke herabrieselten, auf unsere Helme. Schließlich wurde der Gang so niedrig, daß wir nicht einmal mehr auf allen vieren weiterkamen. Arsenjew leuchtete mit seinem Reflektor den Gang hinunter. »Dort hinten wird es wieder geräumiger«, sagte er und kroch weiter, zog sich aber gleich wieder zurück; denn er war steckengeblieben. Erst als er den Rucksack und den Strahlenwerfer abgeschnallt hatte, gelang es ihm, sich mit meiner Hilfe hindurchzuzwängen. Ich ließ meinen Rucksack unter einem flachen Felsvorsprung zurück und folgte Arsenjew. Da ich schlanker war als er, fiel es mir leichter, mich hindurchzuwinden. Eine Weile umgab mich vollkommenes Dunkel. Plötzlich erzitterte der Boden. Irgend etwas schlug schmerzhaft gegen mein Bein. Ich warf mich mit aller Gewalt nach vorn. Ein langanhaltender dumpfer Donner ertönte, Steine polterten herab ..., dann trat Stille ein.
    Licht flammte auf. Hier war der Stollen so breit, daß wir nebeneinander stehen konnten. Arsenjew beleuchtete die Öffnung hinter uns. Eine schwarze Trümmerwand glänzte uns entgegen. Ein Felssturz ... Wir waren eingeschlossen.
    »Fulgurit her!« sagte Arsenjew. Ich hatte noch einige Stangen dieses Sprengstoffes bei mir und reichte sie ihm. Er griff in die Tasche, um Zündkapseln und das Sprengkabel hervorzuziehen. Den Reflektor hatte er sich vor die Brust gehängt. In dem Licht, das der glatte Fels zurückwarf, sah ich Arsenjews Gesicht hinter der Scheibe des Helmes. Plötzlich zuckte er zusammen. Er betastete noch einmal die eine Tasche, dann die andere; er blickte mich an. In seinen Augen las ich etwas, was ich bisher noch nie an ihm bemerkt hatte: Entsetzen.
    Es währte nur eine Sekunde, dann ließ er die Lider sinken.
    »Hast du keine Zündkapseln?« fragte er.
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Sie müssen aus der Tasche gefallen sein, als ich mich durch das Loch zwängte.«
    Fulgurit ist ein sehr ungefährlicher Sprengstoff. Ohne besondere Zündkapseln explodiert er nicht, selbst wenn man ihn ins Feuer legt. Die vier Ladungen, die wir noch besaßen, hatten also keinen Wert für uns; sie waren nichts als ein harmloses graues Zeug.
    Schweigend drehte sich Arsenjew um. Wir gingen weiter den Stollen entlang; er verlief in Windungen. Ich zählte die Schritte: zwanzig. Dann kam eine jähe Biegung, und der Stollen verbreiterte sich. Der Lichtkegel fiel auf eine Felswand.
    Wir standen in einer kleinen Grotte, die wie ein Schlangenkopf geformt war. Ihr Durchmesser betrug ungefähr acht Schritte. Ich schlug mit der Picke gegen das Gestein. Die Wand rührte sich nicht. – Es ist ein unterirdisches Bachbett – dachte ich fieberhaft, das Wasser muß doch einen Abfluß gehabt haben, also weitersuchen ...
    Bald sah ich, wo das Wasser abgeflossen war. Früher einmal hatte das Bachbett tatsächlich eine Fortsetzung gehabt. Aus den oberen Gesteinsschichten hatte sich aber auch hier ein Felsblock gelöst und war mit solcher
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