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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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wie ein alter Ziegenbock.
    Mr. McCaffrey kommt von seiner Lieferwagentour zurück und möchte wissen, warum die Zeitschriften noch nicht ausgezählt, gebündelt und fertig für die Auslieferung sind. Peter sagt ihm, wir hatten voll damit zu tun, den neuen Jungen anzulernen, McCourt. Gott helfe uns, er war ein
bißchen langsam mit seinen schlechten Augen, wissen Sie, aber wir haben nicht locker gelassen, und jetzt wird er schneller.
    Gerry Halvey, der Botenjunge, wird eine Woche nicht da sein, weil er Anspruch auf Urlaub hat, und er will die Zeit mit seiner Freundin, Rose, verbringen, die aus England zurückkommt. Ich bin der neue Junge, und ich muß in seiner Abwesenheit der Botenjunge sein und auf dem Fahrrad mit dem großen Metallkorb vorne durch Limerick fahren. Er zeigt mir, wie man Zeitungen und Zeitschriften so ausbalanciert, daß das Fahrrad mit mir im Sattel nicht umkippt und ein vorbeifahrender Lastwagen mich nicht überfährt und wie ein Stück Lachs auf der Straße läßt. Er hat mal einen Soldaten gesehen, der von einem Armeelastwagen überfahren wurde, und genauso hat der ausgesehen, wie Lachs.
    Gerry hat eine letzte Lieferung zum Eason-Kiosk am Bahnhof um zwölf Uhr mittags, und das ist praktisch, denn da kann ich ihn dann treffen, um das Fahrrad zu übernehmen, und er kann Rose vom Zug abholen. Wir stehen am Tor und warten, und er erzählt mir, daß er Rose ein Jahr lang nicht gesehen hat. Sie ist drüben und arbeitet in einer Kneipe in Bristol, und das gefällt ihm ganz und gar nicht, denn die Engländer begrabbeln ständig die irischen Mädchen, Hand untern Rock und Schlimmeres, und die irischen Mädchen
haben Angst, sich zu beschweren, weil sie den Job nicht verlieren wollen. Jeder weiß, daß irische Mädchen sich rein halten, besonders die Mädchen aus Limerick, die in der ganzen Welt für ihre Reinheit bekannt sind und einen Mann haben, zu dem sie zurückkehren werden, wie Gerry Halvey persönlich. Er wird merken, ob sie ihm treu war, und zwar an ihrem Gang. Wenn ein Mädchen nach einem Jahr mit einer ganz bestimmten Sorte von Gang zurückkommt, anders als der Gang, mit dem sie weggegangen ist, dann weiß man, daß sie was mit den Engländern hatte, und zwar nichts Gutes, dreckige geile Schweinehunde, die sie sind.
    Der Zug fährt pfeifend ein, und Gerry winkt und zeigt auf Rose, die vom anderen Ende des Zuges auf uns zukommt, und Rose lächelt wie sonstwas mit ihren weißen Zähnen und ist sehr hübsch mit einem grünen Kleid. Gerry hört auf zu winken und brummelt halblaut, sieh dir bloß mal diesen Gang an, Hure, Dirne, Nutte, Schlampe, Prostituierte, Bordsteinschwalbe, Metze, Buhlschaft, Kurtisane, Gunstgewerblerin, gewerbsmäßige, und rennt aus dem Bahnhof. Rose kommt auf mich zu und sagt, war das Gerry Halvey, mit dem du da gestanden hast?
    Ja.
    Wo ist er?
    Äh, der ist weggegangen.

    Ich weiß, daß er weggegangen ist. Wo ist er denn hingegangen?
    Ich weiß nicht. Hat er mir nicht gesagt. Ist einfach weggerannt.
    Hat gar nichts gesagt?
    Ich hab nichts gehört.
    Arbeitest du mit ihm zusammen?
    Ja. Ich übernehme das Fahrrad.
    Welches Fahrrad?
    Das Botenjungenfahrrad.
    Er fährt ein Botenjungenfahrrad?
    Ja.
    Er hat mir gesagt, er arbeitet bei Eason im Büro, als Angestellter, im Innendienst?
    Ich überlege verzweifelt. Ich will Gerry Halvey nicht als Lügner hinstellen, will nicht, daß er Ärger mit der hübschen Rose kriegt. Oh, wir wechseln uns alle mit dem Botenjungenfahrrad ab. Eine Stunde im Büro, eine Stunde auf dem Rad. Der Chef sagt, es ist gut, wenn man manchmal an die frische Luft kommt.
    Tja, dann werd ich mal nach Hause gehen und meinen Koffer abstellen und ihn zu Hause besuchen. Ich hatte gedacht, er trägt mir den Koffer.
    Ich hab das Rad da, und du kannst den Koffer in den Korb stecken, und ich begleite dich zu Fuß nach Hause.
    Wir gehen zu ihrem Haus in Carey’s Road, und sie sagt mir, wie verrückt sie nach Gerry ist. Sie
hat ihr Geld in England gespart, und jetzt will sie mit ihm hin und heiraten, obwohl er erst neunzehn und sie erst siebzehn ist. Ist doch egal, wenn man sich liebt. Ich habe in England wie eine Nonne gelebt und jede Nacht von ihm geträumt und vielen Dank, daß du mir den Koffer abgenommen hast.
    Ich drehe mich um und will aufs Rad springen und zurück zu Eason fahren, als Gerry sich von hinten auf mich stürzt. Sein Gesicht ist rot, und er schnaubt wie ein Stier. Was hast du mit meinem Mädchen gemacht, du kleiner Scheißkerl? Hä? Was? Wenn es was
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