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Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen

Titel: Die Asche meiner Mutter - Irische Erinnerungen
Autoren: Frank McCourt
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Jungen, Willie Harold, schneidet den Bindfaden von den Bündeln auf, zählt und trägt die Zahlen in seinem Hauptbuch ein. Englische Zeitungen und die Irish Times müssen früh ausgeliefert werden, Zeitschriften etwas später am Morgen. Wir zählen die Zeitungen ab und zeichnen sie mit Etiketten aus, auf denen steht, für welchen Laden in der Stadt sie bestimmt sind. Mr. McCaffrey fährt den Lieferwagen und bleibt am Steuer, während Willie und ich mit Bündeln in die Läden rennen und Bestellungen für den nächsten Tag entgegennehmen, und das kommt dann im Hauptbuch dazu oder wird abgezogen. Nachdem die Zeitungen ausgeliefert sind, entladen wir die Zeitschriften im Büro und gehen für fünfzig Minuten Frühstückspause nach Hause.
    Als ich ins Büro zurückkomme, sind da noch
zwei andere Jungens, Eamonn und Peter, die bereits Zeitschriften sortieren, zählen und in die Zeitungshändlerkästen an der Wand stapeln. Kleine Bestellungen werden von Gerry Halvey auf seinem Botenfahrrad geliefert, große mit dem Lieferwagen. Mr. McCaffrey sagt mir, ich soll im Büro bleiben, damit ich lerne, die Zeitschriften zu zählen und sie ins Hauptbuch einzutragen. Sobald Mr. McCaffrey weg ist, ziehen Eamonn und Peter eine Schublade auf, in der sie Zigarettenkippen versteckt haben, und zünden sich eine an. Sie können gar nicht glauben, daß ich nicht rauche. Sie wollen wissen, ob bei mir was nicht stimmt, vielleicht wegen der schlechten Augen, oder ist es die Schwindsucht. Wie kann man mit einem Mädchen ausgehen, wenn man nicht raucht? Peter sagt, wärst du nicht ein ziemlicher Tölpel, wenn du mit dem Mädchen auf der Straße gehst, und sie bittet dich um eine Kippe, und du sagst, du rauchst nicht, wärst du da nicht ein ziemlicher Tölpel? Wie willst du sie dann jemals für ein bißchen Gefummel auf den Acker kriegen? Eamonn sagt, mein Vater sagt immer, Männern, die nicht trinken, kann man nicht trauen. Peter sagt, wenn man einen Mann trifft, der nicht trinkt oder raucht, dann ist das ein Mann, der sich auch nicht für Mädchen interessiert, und man möchte sich die Hand vors Arschloch halten, möchte man sich nämlich.

    Sie lachen, und dadurch müssen sie husten, und je mehr sie lachen, desto mehr husten sie, bis sie sich aneinander festhalten und einander zwischen die Schulterblätter hauen und sich die Tränen von den Backen wischen. Als der Anfall vorüber ist, suchen wir uns englische und amerikanische Zeitschriften heraus und sehen uns die Anzeigen für Damenunterwäsche, Büstenhalter und Schlüpfer und lange Nylonstrümpfe an. Eamonn sieht sich eine amerikanische Zeitschrift namens See mit Bildern von japanischen Mädchen an, welche die Soldaten so fern der Heimat bei Laune halten, und Eamonn sagt, er muß mal aufs Klo, und als er geht, zwinkert Peter mir zu, du weißt doch, was er da vorhat, weißt du doch? und manchmal kriegt Mr. McCaffrey Zustände, wenn Jungens zu lange auf dem Klo verweilen und an sich herumspielen und die kostbare Zeit vergeuden, für welche die Firma Eason sie bezahlt, und dabei obendrein noch ihre unsterbliche Seele in Gefahr bringen. Mr. McCaffrey kommt nicht einfach an und sagt, Schluß jetzt mit dem Gewichse, weil man jemanden nicht einer Todsünde zeihen kann, wenn man keinen Beweis hat. Manchmal geht er aufs Klo, um da herumzuschnüffeln, wenn ein Junge herauskommt. Dann kommt er mit diesem bedrohlichen Ausdruck zurück und sagt den Jungens, ihr sollts nicht diese schmutzigen Magazine aus den ausländischen
Gefilden betrachten. Ihr sollts sie zählen und sie in die Kästen stapeln und Schluß.
    Eamonn kommt vom Klo zurück, und Peter geht mit einer amerikanischen Zeitschrift hin, Collier’s, in der Bilder von Mädchen bei einem Schönheitswettbewerb sind. Eamonn sagt, weißt du, was er da drin macht? An sich selbst. Fünfmal am Tag geht er rein. Jedesmal, wenn eine amerikanische Zeitschrift mit Damenunterwäsche reinkommt, geht er rein. Und das genügt ihm noch nicht. Borgt sich ohne Wissen von Mr. McCaffrey Zeitschriften aus, um sie mit nach Hause zu nehmen, und nur Gott weiß, was er die ganze Nacht mit sich und den Zeitschriften treibt. Wenn er da drin tot umfiele, würde sich der Schlund der Hölle ganz weit öffnen.
    Ich möchte gern auch aufs Klo gehen, als Peter herauskommt, aber ich will nicht, daß sie sagen, da geht er hin, neuer Junge, erster Tag im neuen Job und bereits mit sich selbst zugange. Zündet sich keine Kippe an, o nein, aber holt sich einen nach dem andern runter
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