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Die Apfelprinzessin

Die Apfelprinzessin

Titel: Die Apfelprinzessin
Autoren: Jenny Han
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damit?«
    »Schrecklich«, erklärte ich.
    »Aah! Gruselig, ja. Das kenne ich. Trotzdem, Clara-ja. Erzähl mir!«
    »Na gut, aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, sagte ich und kippte mir Cornflakes in meine Lieblingsschüssel, die mit denHasen. »Du bist in meinem Traum vorgekommen, Opa.«
    »Ach ja? Erzähl mehr.«
    »Im Traum sind wir zum Friseur gelaufen. Du weißt doch, dem bei der Kirche?«
    »Ja, ja, den kenne ich.«
    »Also, wir sind da gelaufen, und auf einmal … auf einmal war da der Schnurrbartmann, er war hinter uns her, in einer Kutsche …«
    »In einer was – was ist das?«
    Hmm? Wie konnte ich eine Kutsche beschreiben? »Du kennst doch diese Wagen, die von Pferden gezogen werden? Wie in Ägypten. Oder in der Bibel.«
    »Ah ja. Wie schreibt man das?« Opa zog das kleine rote Notizbuch mit dem Stift hervor, das er immer in seiner Hemdtasche hat. Es macht ihm Spaß, Wörter aufzuschreiben, die er nicht kennt. Später schlägt er sie dann nach in seinem koreanischen Wörterbuch.
    »K-U-T« Ich zögerte. »T-S-C-H-E.«
    Opa schrieb mit. Dann sagte er: »Nun erzähl weiter von deinem Traum.«
    Ich seufzte. »Also, wir sind zum Friseur gegangen, und der Schnurrbartmann kam in seiner Kutsche hinter uns her. Als er uns eingeholt hatte, zog er seine große Dose Insektenspray hervor und sprühte dir das Zeug mitten ins Gesicht …«
    »Und?« Opa beugte sich gespannt vor.
    »Und dann«, flüsterte ich, »dann bist du eingeschlafen und wolltest nicht mehr aufwachen.«
    Opa klatschte in die Hände. »Ein guter Traum war das, Clara-ja! Weißt du nicht?«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Nein, das weiß ich nicht! Ich weiß bloß, dass er so gruselig war, dass ich immer noch Angst hatte, als ich aufgewacht bin. So was ist ja wohl kein guter Traum!«
    »Ah, Clara-ja, aber Tod in Träumen heißt Veränderung. Veränderung zum Guten. Heißt Glück.«
    Ich setzte mich kerzengerade auf. »Ist das wahr?«, fragte ich ihn. »Ist das wirklich wahr?«
    Opa nickte vielsagend. »Das Glück kommtzu dir, du wirst sehen. Vielleicht kauft dein Opa heute ein Los in der Lotterie. Und kreuzt Zahlen von Claras Geburtstag an.«
    Wow! Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und atmete erst einmal tief aus. Der Tag ging ja gut los.
    Emmeline fragte: »Willst du meinen Traum auch hören, Opa?«
    »Sicher, sicher, natürlich will ich.«
    »Ich hab geträumt, ich war ein König, und alle Leute mussten sich tief vor mir verbeugen«, verkündete sie, und dabei sah sie mich herablassend an.
    Ich schnaubte bloß verächtlich und sagte: »Emmeline, das hast du doch nur geträumt wegen der Geschichte, die sie uns letzte Woche im Kindergottesdienst erzählt haben. Von Joseph und seinem Mantel. Weißt du noch? Joseph hatte doch diesen Traum, wo seine Brüder sich vor ihm verbeugt haben?«
    Emmeline sah mich schief an. »Ja, und weißt
du
noch, dass Joseph später wirklich so was Ähnliches wie König wurde und seineBrüder sich wirklich vor ihm verbeugen mussten?«
    »Nein, aber ich erinnere mich, dass seine Brüder ihn als Sklaven verkauft haben, weil er so
penetrant
sein konnte.« Bestimmt hatte sie keine Ahnung, was penetrant überhaupt hieß.
    Emmeline streckte mir die Zunge raus. »Wirst du dich wohl vor mir verbeugen, Bruder!«, brüllte sie. Genau da kam Papa in die Küche und fragte: »Was hör ich da – wer soll sich verbeugen, und wer wird in die Sklaverei verkauft?«
    »Niemand«, murmelte ich.
    Emmeline sah mich an und sagte nur mit den Lippen:
Verbeugen, Bruder!
    Ich hatte schon die Hand gehoben, um sie kräftig zu kneifen, aber Opa konnte mich gerade noch stoppen.
    »Emmeline träumt groß, weil sie ein großer Geist ist. Typischer Drachentraum.«
    »Hast du das gehört, Papa? Ich bin ein großer Geist«, sagte Emmeline. Sie hatte den Mund noch voller Kimchi. Sie liebt Kimchiund würde es am liebsten dauernd essen – morgens, mittags, abends. Kimchi ist scharf gewürzter Kohl, und Emmelines Atem riecht danach, aber ihr ist das egal.
    »Eine grässliche Nervensäge, das bist du«, murmelte ich. Sie bildet sich was drauf ein, dass sie ein Drache ist und ich eine Kuh. Im chinesischen Horoskop gibt es zwölf Tiere, die immer für ein Jahr gelten. Wir sind zwar keine Chinesen, wir sind Koreaner, aber auch Koreaner beachten diese Tierkreiszeichen. Ich bin im Jahr der Kuh geboren, und das heißt, ich bin fleißig und entschlossen. Emmeline ist im Jahr des Drachen geboren, und das ist das mächtigste Zeichen von allen.
    Papa
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