Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Antikriegs-Maschine

Die Antikriegs-Maschine

Titel: Die Antikriegs-Maschine
Autoren: Bob Shaw
Vom Netzwerk:
seinem Zimmer und kaute hinter der geschlossenen Tür mehrmals besonders laut. Hutchman schüttelte widerstrebend bewundernd den Kopf. Sein Sohn war so unbezähmbar, wie es nur ein gesunder Siebenjähriger sein kann. Aber wie viele unbezähmbare Siebenjährige sind heute in Damaskus umgekommen? Vielleicht sechstausend? Und was ist mit den ebenso unbezähmbaren Sechsjährigen, den Fünf jährigen, den…?
    »Laß David in Ruhe«, sagte Vicky, als sie an ihm vorbei ins Schlafzimmer ging. »Was kann ein bißchen Kaugummi schaden?«
    Die Wände, die einzustürzen gedroht hatten, richteten sich wieder auf. »Du weißt doch, daß er das Zeug immer schluckt.« Er zwang sich dazu, die Worte auszusprechen. »Das Zeug ist völlig unverdaubar.«
    »Und wenn schon! Komm, hilf mir beim Anziehen.« Er folgte ihr ins Schlafzimmer, gab vor, auf ihre Koketterie zu reagieren, und steuerte seinen Kurs über die Meere der Zeit, die er überqueren mußte, bevor er sich endlich hinlegen und schlafen durfte.
    Das Stadion war für diese Jahreszeit durchschnittlich besetzt. Hutchman saß in der luftigen Dunkelheit der Tribüne allein, spürte kaum die Gegenwart seiner Frau und seines Sohnes und begriff nichts von dem Schauspiel, das die schleudernden, Staub aufwirbelnden, zusammenstoßenden Wagen boten. Als er endlich ins Bett kam, schlief er fast augenblicklich ein.
    Traumwelten drehten sich wie Rouletträder, Unwirklichkeit und Wirklichkeit zerflossen und durchdrangen einander, solarisierte Farben breiteten sich zwischen kristallenen Wahrscheinlichkeitsebenen aus. Hutchman ist Soldat – eigenartig, denn er war nie bei der Army – und geht durch die engen Straßen einer Stadt. Er hat einen Begleiter, einen anderen Soldaten, und die Stadt ist… Damaskus. Natürlich Damaskus. Ist dort nicht etwas Schreckliches passiert? Aber die Stadt wirkt nicht real. Alle Perspektiven sind zu eng, so als sei dies der Mittlere Osten eines billigen Spielfilms. Aber: die Hitze und der Staub sind real genug.
    Eine Art Marktplatz – und eine junge Frau, Typ Yvonne de Carlo. Hutchman und der andere Soldat sprechen mit ihr, machen ihre Wünsche verständlich, ohne sie tatsächlich auszusprechen. Die junge Frau lacht entzückt und lädt sie dann nach Hause ein, wo sie mit ihrer Familie essen sollen. Du hast’s geschafft, Hutch – wenn nur der andere Kerl begreifen würde, wie überflüssig er ist. Aber der zweite Uniformierte denkt nicht daran. Die beiden Rivalen machen der jungen Frau den Hof, die ihre Bewunderung sichtlich genießt…
    Das Haus ist kühl und dunkel. Kleine Zimmer mit teppichbehängten Wänden – wie in einem Stummfilm. Aber die junge Frau ist real. Zumindest real genug. Ihre Mutter ist groß und dick; sie hastet geschäftig hinaus und kommt mit einem schwarzen Kessel zurück, den sie in der Mitte des Raums aufs offene Feuer stellt. In dem Kessel beginnen Fleisch und Gemüse zu brodeln, und Essensgeruch erfüllt den Raum. Die beiden Soldaten bemühen sich immer noch um die junge Frau; plötzlich sieht Hutchman eine große, blaßgrüne Eidechse im Kessel herumschwimmen. Er hat nicht gesehen, wie die Mutter sie hineingeworfen hat, aber er erklärt, er könne dieses Gericht nicht essen. Die junge Frau ist sofort besorgt. Sie versichert ihm, alles sei in Ordnung – das sei keine echte Eidechse.
    »Ich finde sie echt genug.«
    »Nein. Wir kochen dieses Gericht seit Jahrtausenden mit den gleichen Zutaten. Und jedesmal erscheint eine Eidechse darin, sobald es zum Kochen kommt. Das passiert einfach. Spontan.«
    »Ich behaupte trotzdem, daß das Ding eine echte Eidechse ist.«
    »Nein – es hat keine Seele und spürt keine Schmerzen.« Die junge Frau springt auf, nimmt die Eidechse aus dem Kessel und hält sie hoch. »Da, sieh her!« Sie wirft die Echse ins Feuer, wo sie zischend liegenbleibt, ohne den geringsten Versuch zu machen, der Hitze zu entkommen. Und ihre glänzendschwarzen Augen sind auf Hutchman gerichtet.
    »Siehst du, ich hab’s dir doch gesagt!« ruft die junge Frau aus. Der andere Soldat tätschelt wieder ihre Hand, aber Hutchman findet die Frau jetzt abstoßend. Die Eidechse schwillt entsetzlich an und platzt – alles ohne zu versuchen, aus den Flammen zu entkommen –, und ihre Augen bleiben währenddessen vorwurfsvoll auf Hutchman gerichtet. Sie scheinen ihm etwas sagen zu wollen. Er springt auf und rennt aus dem Haus, und in sein Entsetzen mischt sich Schuldbewußtsein, als habe er das Tier irgendwie im Stich gelassen.
    Aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher