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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche
Autoren: Walter Krämer
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Die war eine Konsequenz der Stärken, die wir uns zum Glück erhalten haben – Qualität und Zuverlässigkeit, deutsche Wertarbeit, flexibler Mittelstand, duales Bildungswesen, Möglichkeit für Kurzarbeit anstelle von Entlassung –, kein Grund, die ansonsten miserable Wirtschaftsleistung der letzten 20 Jahre schönzureden.
    Für diese miserable Wirtschaftsleistung gibt es viele Gründe. Etwa den, dass deutsche Sparer nicht mehr in Deutschland investieren. Ein anderer ist die deutsche Überängstlichkeit vor Risiken. Die Engländer haben den »Red Flag Act« 1896 abgeschafft. Hundert Jahre später führen ihn die Deutschen wieder ein. Nicht durch ein einzelnes Gesetz, es sind eher die vielfältigen Paragrafendschungel, die Alibi- und Verhinderungsgesetzgebung, die hierzulande die Dynamik hemmen und den Bedenkenträgern in die Hände spielen. In kaum einem anderen Land der Erde haben Klima-, Tier- und Umweltschützer einen so guten Stand wie in der Bundesrepublik, nirgendwo erzeugen sie eine solche Bremswirkung wie hier. Unter allen Ländern dieser Erde hat Greenpeace in Deutschland die meisten Unterstützer, die in Amsterdam ansässige Weltzentrale erhält 25 Prozent ihrer Einnahmen aus der Bundesrepublik, mehr als aus irgendeinem anderen Land. Deutschland ist mittlerweile das einzige Land der Welt mit einem vereinbarten Ausstieg aus der Atomenergie, nirgendwo auf der Welt ist die Angst vor gentechnisch veränderten Pflanzen und daraus gewonnenen Lebensmitteln größer als bei uns. Seit dem Farbfernseher, und das ist 50 Jahre her, trifft fast alles Neue, Zukunftsweisende in unserem Land zunächst einmal auf eine Große Koalition von »Reichsbedenkenträgern« (Manfred Lahnstein). Ein riesiges frei schwebendes Angst-, Protest- und Verweigerungspotenzial steht wie die Klospülung all denen zur Verfügung, die neue Ideen schon bei der Geburt ertränken wollen.
    Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sieht in dem deutschen Hang zur Überregulierung eine unserer größten Wachstumsbremsen. Fast schon reflexhaft werde die Gesetzesmaschine in Gang gesetzt, sobald ein gesellschaftliches Problem auftrete, oft ohne darauf zu achten, ob die neuen Regeln jemals umgesetzt werden könnten. Einzig sicher ist der Bremseffekt. Und eine große Verunsicherung der Macher, die zum Glück auch hierzulande noch nicht ausgestorben sind. Der Wuppertaler Professor für Sicherheitstechnik Sylvius Hartwig hat in einem Artikel in der Welt einmal von einer »Art erzwungener Korruption« geschrieben, die in Deutschland Einzug halte und dazu führe, dass »gesetzliche Regelungen die Grenzen zwischen Verantwortungsbewusstsein und kriminellem Verhalten fließend machen«. So sei er aufgrund von Feuerschutzrichtlinien gezwungen, alle Studenten ohne Sitzplatz aus seinem Hörsaal zu weisen. Natürlich mache er das nicht und sei deshalb semikriminell. Dann wieder könne er gewisse Laborveranstaltungen wegen des Risikos und der Gesetzeslage nur mit einem Laborsicherheitsingenieur durchführen; sei der nicht verfügbar – und das sei die Regel –, müsste er eigentlich die Veranstaltung ausfallen lassen. Auch das habe er aber nicht getan. »Die Verwaltung funktioniert in weiten Teilen unseres Landes nur deswegen«, so Hartwig, »weil es immer wieder Verantwortungsbewusste gibt, die den vorgegebenen Sinn einer Aufgabe höher stellen als den Wortlaut eines Gesetzes oder einer Verwaltungsvorschrift.«
    Als Folge dieser »gesetzgeberischen Inkontinenz«, so der Jurist Wieland Kurzka, habe ein deutscher Durchschnittsbürger heute rund 80 000 Bestimmungen zu beachten; die Bürger verließen sich zu wenig auf Eigeninitiative und Unternehmertum und zu viel auf den Staat.
    So wird es auch niemanden wundern, dass Deutschland in der jährlichen Rangliste der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne weit hinter Ländern wie den USA, Hongkong, Singapur oder Kanada rangiert. Selbst die so staatsgläubigen Schweden liegen in der aktuellen Liste neun Plätze vor der Bundesrepublik. Auch Norwegen, Luxemburg, Dänemark oder Österreich sind weniger reguliert als wir. Und was deshalb niemanden verwundern wird: All diese Länder liegen auch im Wirtschaftswachstum über
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