Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche
Autoren: Walter Krämer
Vom Netzwerk:
uns.
    Â 
    Â 
    Bisher haben wir nur Fälle untersucht, wo knappe Mittel ohne jeglichen oder mit zu geringem Nutzen verschwendet werden oder gar Schaden anrichten. Darüber hinaus erzeugt aber irrationale Panikmache auch noch eine Verschwendung zweiter Art: Die eingesetzten Mittel erfüllen durchaus ihren intendierten Zweck, aber dieser Zweck ist falsch.
    In der Wirtschafstheorie ist das auch als das Problem der »Opportunitätskosten« bekannt: Wenn man das eine tut, muss man das andere lassen. Und der entgangene Nutzen dessen, was man lässt, sind dann die Opportunitätskosten dessen, was man tut.
    Stellen wir uns einmal einen Bauern vor, der seinen Hof bewirtschaftet, einen großen Hof mit vielen Feldern und viel Land. Der Bauer pflügt und sät, macht Heu, hackt Holz, legt sumpfige Wiesen trocken, jätet Unkraut, bekämpft Schädlinge aller Art, arbeitet von morgens in der Frühe bis spät in die Nacht, bis er vor Müdigkeit daniedersinkt. Wie würden wir nun einen solchen Bauern nennen, der als Erstes die unfruchtbarsten Felder pflügt und das Heu zunächst am steilen Abhang mäht, wo es am schwersten abzumähen ist, während die fruchtbaren Felder unbestellt bleiben und auf den guten Wiesen das Gras verfault? Dieser Bauer ist dumm. Er investiert seine begrenzte Arbeitszeit nicht da, wo sie den größten Nutzen bringt, er verschwendet Kraft und Energie, seine Opportunitätskosten sind viel zu hoch.
    In diesem Sinn sind die gesellschaftlichen Kräfte, die hierzulande und andernorts unsere knappen Mittel auf die Risikobekämpfung lenken, ganz außergewöhnlich dumme Bauern. Zum Beispiel kostet die Verhinderung eines Todesfalls in der Pharmaindustrie mehr als tausendmal so viel wie die Verhinderung eines Todesfalls in der Landwirtschaft. Und aus welchen Gründen auch immer tolerieren Aufsichtsbehörden weltweit im Allgemeinen mehr Schadstoffe im Wasser oder in der Luft als im Essen? Allein schon der gesunde Menschenverstand würde hier doch folgende Regel nahelegen: Wenn man schon nicht alles erreichen kann, was gut und richtig ist, dann erreicht man auf jeden Fall am meisten mit der Devise: Verwende die knappen Mittel da, wo sie am meisten nutzen. Und verschwende keine Ressourcen auf die Eliminierung von Mini-Gefahren, solange es noch Maxi-Gefahren gibt, die ebenfalls beseitigt werden könnten. Und tue das so lange, bis der Ertrag einer weiteren Mitteleinheit in allen Verwendungszwecken der gleiche ist. Die Ökonomen sagen dazu auch »effiziente Produktion«.
    Oder auch »effiziente Elimination«, wenn das Ziel nicht die Produktion, sondern die Reduktion von etwas ist, etwa die Reduktion von Risiken. Aber von einer solchen effizienten Elimination sind wir weltweit, nicht nur in Deutschland, noch meilenweit entfernt. Im Gegenteil triumphiert hier überall die Unvernunft. In der bislang immer noch umfangreichsten Untersuchung dazu haben amerikanische Statistiker um T. O. Tengs eine Liste von 500 lebensrettenden regulatorischen Eingriffen erstellt, zusammen mit ihren Kosten. Die folgende Tabelle liefert einen Auszug. Die Daten beziehen sich auf die USA und sind schon einige Jahre alt, aber die darin ausgewiesenen Ungleichgewichte bestehen bis heute.
    Â 
    Kosten der Verhinderung eines Todesfalls
Zwangsweise Installation von Rauchmeldern in allen Privatwohnungen
< 50 US-Dollar
Impfung gegen Masern
< 50 US-Dollar
Verbot von Wohngebäuden in tsunamigefährdeten Küstenregionen
< 50 US-Dollar
Höhere Schornsteine und andere Emmissionskontrollen bei Kohlekraftwerken
< 50 US-Dollar
Pflicht zu Sicherheitsgurten in PKWs
69 US-Dollar
Grippeschutzimpfung für alle
140 US-Dollar
Antiraucherberatung für Männer zwischen 45 und 49
1100 US-Dollar
Helmpflicht für Motorradfahrer
2000 US-Dollar
Chlor in Trinkwasser
3100 US-Dollar
Regelmäßige Darmspiegelung für Patienten über 40
4500 US-Dollar
Radonkontrolle in Privathäusern
6100 US-Dollar
Jährliche Mammografie für alle Frauen zwischen 35 und 49
12 000 US-Dollar
Jährlicher TÜV für alle PKWs
20 000 US-Dollar
Rauchmelder in Flugzeugtoiletten
30 000 US-Dollar
40 statt 20 Begrenzungspfosten
pro Meile auf allen Landstraßen
31 000 US-Dollar
Kindersichere Feuerzeuge
42 000 US-Dollar
Herzverpflanzung für Patienten
über 50
100 000 US-Dollar
24 Zoll statt nur 20 Zoll hohe Rückenlehnen in Schulbussen
150 000
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher