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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen
Autoren: Kristina Dunker
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Ruhe hatte allerdings nicht lange gehalten. Schon kurz nach dem Aufbruch hatte Sven Stress gemacht, weil sein Handy nicht mehr in seiner Jackentaschesteckte. Er behauptete, jemand müsse es ihm geklaut haben; niemals würde er es in der Jugendherberge lassen; niemals könne es passieren, dass er es irgendwo vergäße.
    Als sie den Friedhof nahe der Jugendherberge ansteuerten, hatte Paul unbemerkt verschwinden wollen. Doch dann war ihm völlig unerwartet die Bemerkung über Lilly rausgerutscht. Kurz darauf hatte Sven mit voller Wucht gegen einen Mülleimer getreten und Paul war siedend heiß klar geworden, dass er ein Problem hatte.
    Jetzt stolperte er rückwärts über den Kiesweg des Friedhofs, bis seine Füße in lockere Erde einsackten und ihn der erste hohe Grabstein bremste.
    »Paule«, sagte Sven – jede Silbe mit dem Klappern des auf- und zuschnappenden Butterflymessers unterlegt –, »was hast du eigentlich mit der Lilly, hä? Was ist das für ’ne Beziehung?«
    »Freundschaft«, antwortete er und fühlte, wie sich ein Teil der Angst in Trotz verwandelte. Für Lilly würde er sich gern zusammenschlagen lassen.
    »Aha.« Sven nickte vor sich hin und zeigte beiläufig, wie gut er sein Messer im Griff hatte. »Glaubst du, so was ist mit mir nicht möglich?«
    Darauf fiel Paul nichts ein. Normalerweise war Sven nicht so schwafelig-tiefgründig. Sven war ein Mann der Tat. Er würde ihm gleich die Faust in dem Magen rammen oder das Messer durchs Gesicht ziehen. Er atmete sich schon wie ein Stier in Rage, stieß aggressive Schnaufer aus, die selbst dem verliebten Leon nicht verborgen blieben. Er kam heran und berührte Sven am Arm.
    »Alter, lass gut sein! Steck das Messer weg. Paul gehört doch zu uns.«
    »Der?«, fragte Ilkay, plötzlich von der Seite kommend. »Davon weiß ich nichts. Der hält sich für was Besseres.Macht bald Abi, unser kleiner Professor. Hab vorhin noch gehört, wie er zur Hoffmann gesagt hat, dass er in unserer Klasse nix gelernt hat. Scheiß Streberarsch. Soll mal beweisen, dass er zu uns gehört.«
    »Wie soll er das machen?«, gab Sven zurück. »Soll er die Hose runterlassen und zeigen, dass er kein Mädchen ist?«
    Ilkay lachte und klatschte die Hand mit Sven ab. »Wär ’ne Möglichkeit. Obwohl ich nicht weiß, ob ich mir antun will, das anzugucken, Alter.«
    Beide zogen alberne, angewiderte Grimassen. Leon stieß Paul an. Los, sag was, wehr dich, schien er ihm damit sagen zu wollen, aber Paul konnte nicht. Seine Kehle war wie zugestopft mit Angst, Frust und gewaltiger Wut. Wie lange musste er sich das noch bieten lassen? Würde diese Quälerei nie aufhören? Warum waren es immer die saudummen Typen, die die Welt bestimmten?
    »Irgendwie hab ich Bock, jemanden zu Brei zu schlagen, wie kommt das wohl?«, hörte er seinen Erzfeind sagen und wappnete sich innerlich gegen den Angriff, als Tatjana unerwartet aufschrie.
    Zu Pauls Glück drehten sich augenblicklich alle zu ihr um. Sie war ein paar Meter zurückgeblieben, kam jetzt aber zu ihnen gelaufen.
    »Boah, ich steh da so, quatscht mich so ’n Kerl von hinten an und packt mich an, ey!« Bereits von den wenigen Metern war sie außer Atem. Ihr Gesicht war rot, aufgeregt zeigte sie auf jemanden, der erst stehen geblieben war, ihr aber nun mit schlurfenden Schritten folgte.
    Ein harmloser Penner, das sah Paul auf den ersten Blick.
    »Sorry, Lady«, lallte er und entblößte seine schmutzigen Zähne. Er war noch ganz jung, ein Straßenkind, kaum älter als sie selbst, aber eben nur noch ein Penner. Sein eingefallenes, gelbliches Gesicht wirkte wie aus Pergamentpapier,seine Haare waren verfilzt, seine Kleidung stank und seine Hände zitterten enorm.
    »Wollt nur mal wegen ’n bisschen Kleingeld fragen. Flasche Bier wär auch nicht schlecht.« Der große, ausgezehrte Junge blieb vor der Gruppe stehen, suchte die Gesichter nach einem Lächeln ab, fand aber keins, was ihn wohl irritierte. Dafür versuchte er jetzt, selbst umso deutlicher zu grinsen. »Hey, Kollegen«, sagte er in das aufgeladene Schweigen hinein, »wie geht’s, was geht ab?«
    »Meister, du gehst hier gleich ab«, rief Leon und gab ihm mit beiden Armen einen kräftigen Stoß vor die Brust. »Hast du meine Freundin angepackt? Willst du einen in die Fresse, oder was?«
    Ausgemergelt und kraftlos, wie er war, konnte sich der Penner kaum auf den Beinen halten, sondern kippte gleich nach hinten um und setzte sich in den Kies.
    Das gefiel Sven natürlich. Er wandte sich von
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