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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen
Autoren: Kristina Dunker
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schlotterte nur. Gerd war sicher: Er bräuchte sie gar nicht mehr hinunterzustoßen. Er musste sie nur loslassen, dann fiele sie von selbst.
    »Lilly hätte also eingegriffen, ja? Sie hätte nicht zugelassen, dass ihr Martin so demütigt, dass er jeden Lebensmut verliert. Sie hätte sich euch in den Weg gestellt?« Gerds Sarkasmus wandelte sich in Selbstmitleid. Die Vorstellung, dass es theoretisch so hätte sein können , dass es tatsächlich unter diesen Jugendlichen jemanden hätte geben können, der eingeschritten wäre, trieb ihm für einen Moment Tränen in die Augen. Aber so war es nicht gewesen.
    Er horchte kurz auf. Richtig, sein Gehör hatte ihn nicht getäuscht: Die Bullen rückten an. Das war vielleicht der gravierendste seiner vielen kleinen Fehler, seit er sich unter falschem Namen ins Haus der Brinkers einquartiert hatte: Er hatte vorhin nicht kontrolliert, ob der Türke ihm alle Handys gegeben hatte. Der Junge hatte nach dem Sturz in den Graben so angeschlagen gewirkt, dass er ihm keine Finte mehr zugetraut hatte.
    »Die Polizei, dein Freund und Helfer.« Heiser lachte Gerdauf. »Aber als Martin sie brauchte, waren sie nicht da. Jetzt kommen sie, um die Täter zu retten.«
    Gerd dachte daran, dass er sich hatte ändern wollen. Dass er sich solche Mühe gegeben hatte und es auch beinahe wirklich geschafft hätte. Alles hatte er auf den Weg gebracht. Doch kurz vorm Ziel waren diese Jugendlichen gekommen.
    »Ihr habt mein Leben zertreten, wie ihr Martins Gesicht zertreten habt.«
    Im Augenwinkel sah Gerd, dass Paul sich endlich traute, aktiv zu werden. Er kniete nieder, hielt sich mit der einen Hand fest und zog mit der anderen am Arm des Mädchens. Gerd ließ ihn.
    »Ich hatte euch alle umbringen wollen«, sagte er leise, während er beobachtete, wie Lilly vorsichtig versuchte, ihre Beine zurück auf die Plattform zu ziehen und ihr Gewicht weg vom Abgrund zu verlagern. Ein Nervenkitzel, der sie enorme Anstrengung kostete.
    »Ihr fünf wart meine letzte Aufgabe, nachdem ihr meinen Sohn ermordet habt. Was ist, Paul? Erfahre ich den letzten Namen noch?«
    »Nur wenn Sie Lilly zur Leiter lassen.«
    Noch einmal verstärkte Gerd den Griff um Lillys Schultern. Noch einmal lenkte er ihren Blick auf die Tiefe. Noch einmal genoss er es, sie entsetzt aufquieken zu hören. Dann drehte er sie so, dass sie zur Treppe krabbeln konnte. Wieder brabbelte sie dabei wie ein Kleinkind.
    »Wawawawa«, äffte Gerd sie nach und lachte aus vollem Hals.
    Das Freibadgelände wimmelte sicher schon von Polizisten. Jeden Moment würden sie ihm per Megafon mitteilen, dass sie auf ihn schießen würden, wenn er nicht freiwillig aufgäbe.
    Das Mädchen hatte die Leiter erreicht, traute sich aber mit den gefesselten Händen nicht herunter. Paul stellte sich vor sie, zwischen sie und ihn.
    Gerd hatte plötzlich keine Lust mehr. Keine Lust mehr zu kämpfen, den Jungen zu attackieren oder durch eine Geiselnahme seine Verhaftung hinauszuzögern.
    Eigentlich interessierte ihn der letzte Name schon nicht mehr. Trotzdem fragte er Paul noch einmal: »Und? Sagst du ihn mir jetzt?«
    »Nein.«
    Gerd nickte. »Du bist es selbst«, sagte er grinsend. »Du kleines, feiges Arschloch bist es selbst.«
    Pauls und sein Blick trafen sich. Eine letzte Sekunde Stille.
    »Nein«, formten Pauls Lippen, als die durch den Lautsprecher verzerrte Stimme eines Polizisten Gerd zum Aufgeben aufforderte.
    »Doch. Und damit wirst du leben müssen. Genau wie diese Tatjana.«
    Gerd wandte sich ab und robbte auf dem Hosenboden zum Rand.
    »Sich umbringen ist feige«, hörte er die giftige Stimme des Mädchens. »Sie haben Leon auf dem Gewissen. Leon, der nur zu viel gesoffen hat und dann nicht mehr wusste, was er tat. Sie sind ein Mörder. Sie, nicht meine Freunde.«
    »Vergiss nicht, was deine Freunde meinem Sohn angetan haben. Frag Paul. Auch das war Mord.«
    Paul schwieg. Kein Nein kam über seine Lippen.
    Gerd warf einen letzten Blick zurück auf die zwei. Die kleine Kodderschnauze, di
e würde sich durchsetzen, dachte er. Das war genau so ein Mädchen, in das Martin sich verliebt hätte.
    »Mein Sohn wär auf dich geflogen«, murmelte er, wobei ihm gleichgültig war, ob sie es noch hörte. Ein Gedanke,den er die ganze Zeit immer wieder mit Macht verdrängt hatte, ließ sich jetzt nicht mehr zurückhalten. Der Gedanke wurde so stark, dass er seinem Körper schließlich den Impuls gab, sich über den Rand zu stürzen:
    Martin hätte diese Rache nicht
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