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Die Angst der Boesen

Die Angst der Boesen

Titel: Die Angst der Boesen
Autoren: Kristina Dunker
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Vogelstimmen, ein vorbeifahrendes Auto. Martins Freunde?
    »Ey, du, hast nicht gehört, wer hier ist? Sprichst kein Deutsch oder was? Hier ist die Polizei, also wer ist da, he?« Jetzt schlich sich albernes Gickstern in den forschen Ton.»Polizei«, rief der Türke zum vierten Mal, »sofort stehen bleiben, Waffe fallen lassen, sonst gehst du direkt in Knast.« Dann lachte er.
    Gerd räusperte sich, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Im Hintergrund rief jemand: »Was ist denn da für ’n Wichser dran?«, und Gerd begriff: Das hier waren keine Leute, mit denen Martin sich freiwillig abgab. Das hier waren abgezockte Jugendliche ohne jede Erziehung. Die konnten von Glück sagen, dass sie nicht seine Söhne waren. Denen hätte er schon Manieren beigebracht. Aber was war mit Martin?
    »Alter«, hörte er da eine zweite, ebenfalls männliche Stimme, »ist da seine Perle dran? Perle, komm her, ich fick dich!«
    »Sven«, rief ein Mädchen.
    Das Handy wechselte den Besitzer und Sven, wenn er den Namen denn richtig verstanden hatte, keuchte ihm ins Ohr.
    »Du, Schlampe, wartest du auf deinen Macker? Bist du schon feucht? Komm zu mir, dein Freund kommt heut nicht mehr nach Hause.«
    Offenbar bezog dieser Sven sein Vokabular aus Pornofilmen. Gerd konnte ihn sich leibhaftig vorstellen, einen geifernden Schläger, etwa den Jungen, der ihm heute im Hallenbad beinah ins Genick gesprungen wäre, nur ein paar Jahre älter und verdorbener. Ihm stieg die Galle hoch. Er sprang auf, seine Hand krampfte sich um den Hörer, das Gesicht verzerrte sich vor Hass. Da half es auch nicht, dass das Mädchen wieder erbost »Sveeeen« zeterte, es im Hintergrund undefinierbaren Radau gab und eine stark alkoholisiert klingende, dritte männliche Stimme sagte: »Hör auf mit dem Scheiß, leg auf, Mann!«
    Einen Moment war nur unverständliches Getuschel zu hören, außerdem ein Wimmern. Ein getretener Hund?
    Dann sagte der Türke: »Okay, er hat recht. Mach aus! Ich will keine Zeugen.«
    In diesem Augenblick aktivierte Gerd seine gelähmte Zunge: »Wartet«, rief er hastig und spürte, wie ihm auf einmal der Schweiß literweise den Rücken hinunterzulaufen schien. »Wo ist Martin?«
    »In der Hölle«, antwortete Sven.
    Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
6
    Lilly stand auf und tigerte unruhig am Eingang zum Jugendherbergsgelände auf und ab. Wo blieb Paul denn nur? Zornig und ängstlich zugleich grub sie die Fingernägel in die Innenflächen ihrer geballten Fäuste. Hätte sie Tatjana nur nicht ihre beknackte Lebensgeschichte erzählt, dann müsste sie sich jetzt nicht sorgen, sondern könnte Party machen, wie es sich für eine Abschlussfahrt gehörte.
    Auf einer Bank neben der Einfahrt saßen Ebru und Hatice, die einzigen türkischen Mädchen aus der Klasse, die mitgefahren waren. Sie steckten die Köpfe zusammen und sahen zu ihr herüber. Lilly wusste ganz genau, dass sie über sie ablästerten, sobald sie die Sprache wechselten. Ihren Namen und das Wort »Schlampe« konnte sie schließlich genau heraushören. Nach einer Weile wurde es ihr zu viel. Sie schlenderte auf die beiden zu und baute sich vor ihnen auf. »Alles klar oder wollt ihr Ärger machen?«
    »Hast du mit Levent eigentlich auch geschlafen?«, fragte Ebru.
    Hatice kicherte und verbarg die Hälfte ihres Gesichts unterm Kopftuch.
    »Geht euch das was an?«
    »Warum nicht?! Erzähl mal, wie’s so war.«
    »Euch fehlen wohl die Erfahrungen, was?«
    Ebru lachte höhnisch, Hatice fragte mit rotem Gesicht: »Dein wievielter war das eigentlich?«
    »Pass mal auf, du blöde Kuh!« Lilly grapschte nach Hatices Kopftuch, die fing an zu schreien. Ebru sprang auf, trat auf Lillys Fuß.
    Sie rangelten miteinander.
    »Sven hat behauptet, du würdest es mit jedem machen, wenn er’s dir sagt«, rief Hatice so laut, dass es auch Frau Hoffmann hörte, die die kleine Auseinandersetzung bemerkt und sich auf den Weg zu ihnen gemacht hatte.
    »Was wird denn hier verhandelt?«, fragte sie streng.
    Lilly dachte zum x-ten Mal, dass sich Silke Hoffmann immer gern stark und autoritär gab – wenn es um Streitereien ging, an denen nur Mädchen beteiligt waren.
    »Privatsache«, antwortete sie deshalb knapp und ging Richtung Straße.
    »Was ist eigentlich mit der Stelle in Sonjas Salon ?«, rief Ebru ihr nach. Mit Ebru fetzte Lilly sich oft und heftig, aber meist war der Krach nur von kurzer Dauer. Ebru war so ziemlich die einzige von den Türkinnen, mit der sie sich auch mal außerhalb der Schule
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