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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin
Autoren: Petra Durst-Benning
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möchte ich sie in Glas verwandeln.«
    »Wie du das sagst …« Gorgis Augen glänzten bewundernd. »Als ob du eine Zauberin wärst.«
    Marie lächelte dünn. »Aber eine, die ihre Zauberkraft verloren hat.«
    Als sie Gorgis Stirnrunzeln sah, sagte sie hastig: »Genug über zu Hause gesprochen! Warum zeigst du mir nicht, welche Kleider du für den Aufenthalt in der Großstadt gekauft hast?«
    Sie konnte und sie wollte nicht über ihre Glasbläsereisprechen. Sie wollte nicht einmal an die letzten Wochen denken, die sie am Bolg verbracht hatte. Wie eine Anfängerin war sie sich dabei vorgekommen! Hatte den Rohling in ihrer Hand angeschaut, als wäre es ein Ding aus einem anderen Universum. Keine Bewegung war dabei wie selbstverständlich aus ihrem Handgelenk geflossen, keine neue Form entstanden. Während sie runde Kugeln blies, um nicht ganz untätig dazusitzen, war ihre Panik gewachsen – bis zu dem Punkt, da sie fluchtartig den Raum verließ. Später hatte sie den anderen erzählt, es wäre die Suppe vom Vorabend gewesen, die sie nicht vertragen hatte. Wem hätte sie sagen sollen, dass sie ihre eigene Unzulänglichkeit keinen Moment länger ertragen konnte?
    Mit geheucheltem Interesse schaute sie sich nun Gorgis neue Kleider an. Doch sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte an dem unförmigen, mausgrauen Zeltkleid, das Gorgi zur Hochzeit ihrer Schwester tragen wollte, nichts Schönes finden. Spontan kramte sie eine ihrer selbstgefertigten Glasperlenketten aus der Tasche und hielt sie in den Kleiderausschnitt.
    »Schau mal, wie der graue Stoff zusammen mit deiner Perlenkette plötzlich glänzt! Das ist ja die reinste Zauberei!« Hingebungsvoll berührte Gorgi das Schmuckstück.
    »Nein, nur Glas«, gab Marie lächelnd zurück. »Ich schenke sie dir!«
    Gorgi bedankte sich mit einer wuchtigen Umarmung.
    Dann wollte Marie wissen, wie es dazu gekommen war, dass gerade Georgina die Reise antreten durfte und nicht einer ihrer beiden älteren Brüder, von denen sie so viel erzählte, oder ihre Eltern selbst.
    Gorgi grinste. »Mutter hätte schon gewollt … Aber Vater glaubt, ohne ihn würde die Eisenwarenhandlung keinen Tag überleben. Und meine Brüder hat Mutter nicht schicken wollen. Wahrscheinlich befürchtet sie, auf die Frage, wie esin Amerika war, lediglich ein gebrummtes ›Ganz nett‹ zu hören zu bekommen. Während sie bei mir sichergehen kann, dass ich mindestens eine Woche brauchen werde, um ihr alles zu erzählen!«
    »Eine Woche? Ob das reicht?« Skeptisch hob Marie die Brauen.
    Statt ihr den Scherz übelzunehmen, prustete Gorgi los. Eigentlich machte es ziemlich viel Spaß, mit Gorgi zusammen zu sein, stellte Marie beinahe erstaunt fest.
    »Es hört sich so an, als sei deine Familie sehr nett«, sagte sie.
    »Ist sie auch«, erwiderte Georgina. »Trotzdem bin ich froh, sie für eine Weile nicht zu sehen. Diese ewig besorgten Blicke, nur weil immer noch kein Ehemann für mich in Sicht ist! Was kann ich denn dafür, dass der liebe Gott mich mit mehr Fülle als Anmut ausgestattet hat?« Hilflos ließ sie ihre plumpen Arme auf ihre ebenso plumpen Schenkel fallen.
    »Wenn ich so schlank und hübsch wäre wie du, wäre ich auch schon längst verheiratet!«, seufzte sie.
    »Bin ich doch gar nicht!«, konterte Marie.
    »Wieso? Ich dachte, du und dieser Magnus …?«
    »Wir leben zwar zusammen unter einem Dach, aber verheiratet sind wir nicht. Ich weiß, dass sich das seltsam anhört, und das ist es mit Sicherheit auch«, fügte sie in Anbetracht von Gorgis irritiertem Gesichtsausdruck hinzu. »Aber irgendwie hat sich eine Hochzeit zwischen uns nicht ergeben. Ich … hatte nie das Bedürfnis, Magnus zu heiraten.«
    Gorgis Blick wurde nur noch verwunderter. »So etwas habe ich noch nicht gehört! Da müssen sich doch eure Nachbarn die Mäuler zerreißen, oder? Also, wenn ich einen hätte – ich würde schneller Ja sagen, als er bis drei zählen kann! Aber wer weiß, vielleicht finde ich ja in Amerika einen, der mich liebt.« Sie schloss für einen Moment die Augen, und ihr sonst so bewegtes Gesicht wurde still. »Weißt du, darauf freue ich mich am meisten: Endlich einmal nichtdie dicke Georgina Schatzmann zu sein, die keinen Mann abkriegt. Sondern durch die Straßen von New York gehen zu können und dabei einfach nur eine Frau zu sein, die Spaß haben will! Eine x-beliebige Frau.«
    Nachdenklich schaute Marie ihre neue Freundin an. Gorgi wusste genau, was sie von ihrer Reise erwartete. Wenn sie das nur
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