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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
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und ihre militärischen Erfolge an den Schwur, sich niemals zu verlieben, bindet, überträgt er den Kernkonflikt aller Amazonengeschichten auf sein Drama: Jeanne d’Arc hat dem Himmel Entsagung geschworen und im Gegenzug ein Siegesversprechen erhalten. Dass sich nun ihr eigenes Gefühl gegen sie selbst richtet, betrachtet sie als persönliches Versagen. Dass sie auch noch einen Engländer liebt, macht sie in den eigenen Augen zur Landesverräterin. Doch wer gegen sich selbst kämpft, kann nicht gewinnen. Jeanne d’Arc wird gefangen genommen, liegt in Ketten, hat noch die Kraft, sie zu sprengen, aber nicht mehr die zu entscheiden. Schillers Lösung des Konfliktes ist keine so ungeheuerliche, wie man sie Kleist vorgeworfen hat. Es ist eine elegante, aber auch etwas ratlose, denn Jeanne d’Arc entzieht sich allen irdischen Verstrickungen in einer Art Himmelfahrt.
    |169| Diese Lösung sagte dem Publikum mehr zu als Penthesileas Raserei, was ein Brief an Kleists Verleger auf den Punkt bringt: „Wird der Buchhändler durch Kleists Trauerspiel abgeschreckt... ist eine Jungfrau von Orléans freilich immer ein Gewinn, vorzüglich im Taschenformate.“

    Abwehr und Angst, Faszination, Bewunderung und sogar Idealisierung begleiten die Amazonen, wann und wo immer sie in Erscheinung treten. Von der Antike an über die frühe Neuzeit und durch die folgenden Jahrhunderte bis heute. Ein aktuelles Beispiel dafür, dass die Amazonengeschichten immer weiter erzählt werden, ist ein 2008 erschienener Thriller, der Teile der antiken Amazonengeschichte sorgfältig recherchiert präsentiert. Es ist nicht irgendein Krimi, sondern der Krimi des Jahres mit einem Dauerabonnement auf die Bestsellerlisten, ein Buch, das laut größter deutschen Sonntagszeitung die Arbeitswelt lahm legen wird, weil alle nur noch lesen: Stieg Larsson, „Vergebung“.

    Die Amazonen bleiben präsent, werden gebraucht, provozieren Ängste, wecken Hoffnungen. Das alles macht sie so unverzichtbar und begehrenswert. Auf dem Weg von der Antike bis zur Gegenwart haben sich ihr Bild und ihre Funktion immer wieder verändert, sodass die Amazonen stets die zeittypischen Ängste und Wünsche der Menschen gespiegelt haben. Aber niemals wurde ihre Botschaft verfälscht, dass die Frau selbstbestimmt und frei sein kann: schön … schlau … stark.

    Wer Lust hat, ihren Spuren weiter und über dieses Buch hinaus zu folgen, soll sich nicht ohne Navigationshilfe auf den Weg machen müssen. Deshalb noch einige ihrer Stationen in Stichpunkten:
    In Vergils Äneis erscheinen sie in der Figur der Kriegerin Camilla.
    Der Mädchenkrieg von Böhmen, dessen Geschichte Eneo Silvio de Piccolomini aufgeschrieben hat – besser bekannt als Papst |170| Pius II. – verbindet das Amazonenmotiv mit der Gründung der Stadt Prag. Und wie so oft wird diese Gründungssage von der Literatur aufgenommen und tradiert. Clemens Brentano, Franz Grillparzer und Libuse Monikova haben die tschechischen Amazonen in ihren Texten verewigt.
    Im Barock war der Amazonenstoff besonders beliebt, was die vielen Opern und Singspiele beweisen. Sie kamen dem Geschmack der Zeit an Verwirrungen, Vertauschungen, Spiegelungen und Irreführungen in idealer Weise entgegen.
    Während der Französischen Revolution stehen Demokratinnen wie Théroigne de Méricourt im Ruf, Amazone zu sein.
    Bürgerliche Frauen zu Anfang des 20. Jahrhunderts wehrten sich in einem Frauenbrevier mit dem Titel „Penthesilea“ gegen ihre gesellschaftliche Entmündigung.
    Bei Johann Jakob Bachofen, dem Erfinder des Mutterrechts, beweisen die Amazonen die Existenz matriarchaler Gesellschaftsformen. Die Thesen, die er in seinem Buch vertritt, sind wissenschaftlich nicht anerkannt. Trotzdem lohnt sich die Lektüre, denn „das Mutterrecht“ lässt sich wie eine Datenbank zur Antike benutzen. Wer Quellen zu den Amazonen sucht, findet hier auch entlegene.
    In den kriegerischen Töchtern Wotans, den Walküren, kehren sie wieder. Die weiblichen Geisterwesen aus der nordischen Mythologie sind zunächst eine Art Todesengel, die gefallene Krieger nach Walhall bringen, bevor Richard Wagner sie im „Ring des Nibelungen“ selbst zu Kriegerinnen macht. Die bekannteste Walküre ist seither Brünnhilde.
    An die Amazonen erinnern all die Soldatinnen, die unerkannt in Männerkleidung an Kriegen teilnahmen, und auch die Frauen, die im zivilen Leben bis heute um ihre Rechte kämpfen müssen.
    Und natürlich werden sie in der Kunst dargestellt: auf
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