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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen
Autoren: Hedwig Appelt
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rätselhaft als die anderen beiden Typen. Sie repräsentieren vielmehr das erotische Moment, das von Frauen ausgeht, die Männern im Kampf gleichwertig oder überlegen sind.
    Abhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen, Moden und individuellen Sehnsüchten oder Ängsten wandelt sich das Bild der Amazone, sodass immer wieder ein anderer Typus Modell |162| steht für das Bild, das man sich von den freien, kriegerischen Frauen macht.
    Wie und wann solche Bilder auftauchen, sich eine Weile behaupten, dann verblassen und übermalt werden, das soll ein Blick ins 20. und 21. Jahrhundert zeigen, wo alle drei Amazonentypen so lebhaft zitiert werden, als wären sie mitten unter uns.
    Die leibhaftigen Amazonen, die an die afrikanischen Kriegerinnen erinnern, tauchen als körperlich starke, begehrenswerte Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in der Science Fiction und Fantasy auf.
    „Wonder Woman“ war neben Batman und Superman über drei Jahrzehnte lang der Star von DC Comics, einem der größten US-amerikanischen Comicverlage. Von ihrer Mutter Hippolyte aus Ton geschaffen, wurde sie von den griechischen Göttern belebt und mit übermenschlicher Stärke, Schnelligkeit und der Fähigkeit zu fliegen beschenkt. Ihre Aufgabe war es, als Botschafterin des Weltfriedens den militant aggressiven Ares zu bekämpfen. Gleichzeitig erfüllte sie, wie ihr Schöpfer Marston freimütig zugab, die weniger friedlichen unbewussten männlichen Wünsche, von einer Frau gebunden und gezähmt zu werden. Das wiederum konnte laut Marston „ohne ein starkes erotisches Element unmöglich erfreulich sein“.
    Abgesehen von Wonder Woman war schon in der frühen Science Fiction „die Amazonenkönigin“ ein Stereotyp in der Darstellung weiblicher Charaktere. Ihre Funktion reduzierte sich darauf, durch ihre außergewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten die Potenz des männlichen Helden herauszustellen, von dem sie besiegt wurde. Meist waren die Amazonenkönigin und das von ihr geführte Frauenvolk in einem unerforschten Gebiet der Erde oder auf einem anderen Planeten zu Hause, wie zum Beispiel in der Perry-Rhodan-Serie „Die letzten Tage der Amazonen“ auf dem Planeten Diane im System Emanzopa.

    Auch das Kino nutzte die Powerfrau für seinen Zweck, ein Massenpublikum anzusprechen. Kinofilme über Amazonen waren zwischen |163| den 1940er und 1960er Jahren nahezu Genre bildend: Tarzan und die Amazonen, Queen of the Amazons, Herkules und die Königin der Amazonen, Amazons of Rome, Lana – Königin der Amazonen. So oder ähnlich hießen die B-Movies über den Geschlechterkrieg zwischen starken Frauen und noch stärkeren Männern.
    Sogar Leni Riefenstahl, die wegen ihrer Nähe zu Hitler und auch ihrem eigenwilligen Kunstbegriff umstritten ist, plante schon lange, einen Film über Penthesilea in die deutschen Kinos zu bringen, in dem sie gleichzeitig Regie führen und die Hauptrolle spielen wollte. 1939 ließ sie ein ganzes Heer junger deutscher Sportlerinnen am Bogen und auf dem Pferd ausbilden, sie selbst lernte das Reiten ohne Sattel. Als Drehorte waren die Dünen von Sylt und die libysche Küste vorgesehen, wo Marshall Balbo, der Gouverneur der italienischen Kolonie Libyen, bereits tausend Araberschimmel für den Film organisiert hatte. Alle Vorbereitungen deuteten auf eine grandiose Inszenierung hin, bis der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dem Projekt ein vorzeitiges Ende setzte.
    Dieser Film hätte die nackte Erotik, die im Zentrum aller sonstigen Amazonenfilme steht, sicherlich im großen Stil ästhetisiert. Aber er wäre ebenso wahrscheinlich am Einspruch Hitlers gescheitert, der die deutsche Frau lieber am heimischen Herd als an den Waffen sah. „Flintenweiber“ hießen in der Sprache der Nazis die Amazonen des Ostens, die niemals Zutritt zum Kino, der deutschen Propagandamaschine, gehabt hätten.
    In der jüngsten Vergangenheit gab es noch zwei Filme, in denen Amazonen eine wesentliche Rolle spielten. Der Regisseur Werner Herzog hat mit „Cobra Verde“ den Amazonen von Dahomey ein Denkmal gesetzt. James Bond bescherte ihnen in „Octopussy“ ein Happy End.
    Doch im Vergleich zu ihrem massenhaften Auftreten in den 1940er und 1960er Jahren sind die leibhaftigen, sinnlichen Amazonen von der Leinwand so gut wie verschwunden. In dem Maß, |164| wie die Waffen im Geschlechterkrieg feiner, schärfer und kälter wurden, gingen auch sie auf Distanz. Körperkontakt mit dem Feind, der oft einem Vorspiel glich, war nicht mehr populär,
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