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Die Akte

Titel: Die Akte
Autoren: John Grisham
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konsequent, was den Umweltschutz anging. Und schließlich hatte Jensen, zur weiteren Bestürzung der Republikaner, die Blut vergossen hatten, um seine Bestätigung durchzusetzen, eine beunruhigende Sympathie für die Rechte der Homosexuellen an den Tag gelegt.
    Auf seinen Wunsch hin war ihm der unerfreuliche Fall eines Mannes namens Dumond übertragen worden. Ronald Dumond hatte acht Jahre mit seinem Freund zusammengelebt. Sie waren ein glückliches Paar gewesen, einander treu ergeben und vollauf zufrieden, die Erfahrungen des Lebens gemeinsam machen zu können. Sie wo llten heiraten, aber die Gesetze von Ohio verboten eine derartige Verbindung. Dann bekam der Freund AIDS und starb eines grässlichen Todes. Ronald wusste genau, wie er ihn begraben wollte, aber dann mischte sich die Familie des Freundes ein und ließ nicht zu, dass Ronald an der Trauerfeier und der Beerdigung teilnahm. Ronald hatte die Familie verklagt und behauptet, emotionelle und psychische Schäden davongetragen zu haben. Der Fall war sechs Jahre lang vor den unteren Instanzen verhandelt worden und nun plötzlich auf Jensens Schreibtisch gelandet.
    Zur Debatte standen die Rechte der »Ehegatten« von Schwulen. Dumond war zum Schlachtruf homosexueller Aktivisten geworden. Schon die bloße Erwähnung von Dumond löste Straßenschlachten aus.
    Und Jensen hatte den Fall. Die Tür zu seinem kleineren Büro war geschlossen. Jensen und seine drei Mitarbeiter saßen am Konferenztisch. Sie hatten zwei Stunden über Dumond verbracht und waren nicht weitergekommen. Sie hatten das Diskutieren satt. Einer der Mitarbeiter, ein Liberaler von der Universität Cornell, wollte eine eindeutige Stellungnahme, die schwulen Partnern weitreichende Rechte einräumte. Die wollte Jensen auch, aber er war nicht bereit, das zuzugeben. Die anderen beiden Mitarbeiter waren skeptisch. Sie wussten, genau wie Jensen, dass es unmöglich sein würde, eine Mehrheit von fünf zu erreichen.
    Das Gespräch wendete sich anderen Dingen zu.
    »Der Chief ist sauer auf Sie, Glenn«, sagte einer der Mitarbeiter. Wenn sie unter sich waren, nannten sie ihn beim Vornamen. »Richter« war so ein lästiger Titel.
    Glenn rieb sich die Augen. »Was gibt es denn nun schon wieder?«
    »Einer seiner Leute hat mich wissen lassen, dass der Chief und das FBI sich Sorgen machen wegen Ihrer Sicherheit. Er sagte, dass Sie nicht kooperierten und dass der Chief sehr beunruhigt sei. Er hat mich gebeten, das an Sie weiterzugeben.« Alles wurde durch das Netzwerk der Mitarbeiter weitergegeben. Alles.
    »Soll er sich doch Sorgen machen. Das ist sein Job.«
    »Er möchte, dass Ihnen zwei weitere Fibbies als Leibwächter zugewiesen werden. Sie wollen Zutritt zu Ihrer Wohnung. Und das FBI möchte Sie zum Gericht und wieder zurück fahren. Außerdem wollen sie, dass Sie Ihre Reisen einschränken.«
    »Das habe ich bereits gehört.«
    »Ja, das wissen wir. Aber der Mitarbeiter des Chief hat gesagt, der Chief wünscht, dass wir Sie noch einmal ausdrücklich darum bitten sollen, mit dem FBI zu kooperieren, damit die Ihr Leben retten können.«
    »Ich verstehe.«
    »Und deshalb bitten wir Sie darum.«
    »Danke. Schaltet euch wieder ins Netzwerk ein und sagt dem Mitarbeiter des Chief, dass ihr mich nicht nur darum gebeten, sondern mir regelrecht die Hölle heiß gemacht habt, und dass ich euer Bitten und Hölleheißmachen zu würdigen wusste, aber dass es zu einem Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus gegangen ist. Sagt ihm, Glenn Jensen findet, dass er schon ein großer Junge ist.«
    »Wird gemacht, Glenn. Sie haben wohl keine Angst?«
    »Nicht die geringste.«
2
    T homas Callahan war einer der beliebteren Professoren an der Tulane University, vor allem deshalb, weil er sich weigerte, Seminare vor elf Uhr vormittags anzusetzen. Er trank ziemlich viel, wie die meisten seiner Studenten, und brauchte die ersten paar Morgenstunden zum Schlafen und dazu, wieder zu sich zu kommen. Seminare um neun und um zehn waren ein Graus. Er war auch beliebt, weil er cool war - ausgeblichene Jeans, Tweedjacketts mit abgeschabten Lederflecken an den Ellenbogen, keine Socken, keine Krawatte. Die schickliberale Akademikerkluft. Er war fünfundvierzig, aber mit seinem dunklen Haar und der Hornbrille konnte er als Fünfunddreißigjähriger durchgehen; ihm selbst war es allerdings völlig gleichgültig, für wie alt man ihn hielt. Er rasierte sich einmal in der Woche, wenn es zu jucken begann; und wenn das Wetter kalt war, was in New Orleans
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