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Die Akte

Titel: Die Akte
Autoren: John Grisham
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er. »Ich hatte zwei Anrufe. Ludwig hat aus China angerufen. Der Präsident hat ihn dort ausfindig gemacht und ihn angefleht, die Story vierundzwanzig Stunden zurückzuhalten. Ludwig, immer der Gentleman, hörte respektvoll zu und sagte höflich nein. Der zweite Anruf kam von Richter Roland, einem alten Freund von mir. Allem Anschein nach haben ihn die Jungs von White and Blazevich vom Esstisch weggeholt und darum gebeten, noch heute abend eine Verhandlung anzusetzen und eine einstweilige Verfügung zu erlassen. Richter Roland hörte ziemlich respektlos zu und sagte unhöflich nein.«
    »Also bringen wir das Ding!« rief Krauthammer.
43
    D er Start ging glatt vonstatten, und der Jet flog westwärts, angeblich nach Denver. Er war angemessen, aber keinesfalls luxuriös ausgestattet; schließlich gehörte er den Steuerzahlern und stand einem Mann zur Verfügung, der sich nicht viel aus den feineren Dingen des Lebens machte. Kein guter Whisky, stellte Gray fest, als er in den Schränken nachsah. Voyles war Abstinenzler, und das ärgerte Gray in diesem Moment - er war Gast an Bord und hatte großen Appetit auf einen Drink. Er fand zwei halbgekühlte Sprite im Kühlschrank und gab eine davon Darby.
    Der Jet schien seine Flughöhe erreicht zu haben. Der Kopilot erschien an der Kabinentür. Er war höflich und stellte sich vor.
    »Uns wurde gesagt, dass Sie uns kurz nach dem Start ein neues Ziel nennen würden.«
    »Stimmt«, sagte Darby.
    »Gut. In ungefähr zehn Minuten müssen wir es wissen.«
    »Okay.«
    »Gibt es in diesem Ding irgendwo etwas Alkoholisches?« fragte Gray.
    »Nein. Tut mir leid.« Der Kopilot lächelte und kehrte ins Cockpit zurück.
    Darby und ihre langen Beine nahmen den größten Teil der kleinen Couch ein, aber er war entschlossen, neben ihr Platz zu finden. Er hob ihre Füße an und setzte sich ans Ende. Sie lagen auf seinem Schoß. Rote Zehennägel. Er streichelte ihre Knöchel und dachte an nichts anderes als an dieses große Ereignis dass er ihre Füße hielt. Für ihn war das etwas sehr Intimes, aber ihr schien es nichts auszumachen. Sie lächelte jetzt sogar ein wenig, entspannte sich. Es war vorbei.
    »Haben Sie Angst gehabt?« fragte er.
    »Ja. Und Sie?«
    »Ja, aber ich fühlte mich gleichzeitig sicher. Ich meine, es ist schwierig, sich gefährdet vorzukommen, wenn man von sechs bewaffneten Männern umgeben ist. Und es ist schwierig, in einem fensterlosen Transporter das Gefühl zu haben, dass man beobachtet wird.«
    »Voyles hat es Spaß gemacht, meinen Sie nicht auch?«
    »Er war wie Napoleon, machte Pläne und befehligte seine Truppen. Für ihn war es ein großer Augenblick. Morgen früh wird er unter Beschuss geraten, aber es wird von ihm abprallen. Der einzige Mensch, der ihn entlassen kann, ist der Präsident, und ich würde sagen, er kann Voyles im Moment nichts anhaben.«
    »Und die Morde sind aufgeklärt. Ihm muss sehr wohl sein in seiner Haut.«
    »Ich glaube, wir haben seine Amtszeit um zehn Jahre verlängert. Ausgerechnet wir!«
    »Ich glaube, er ist tüchtig«, sagte Darby. »Anfangs mochte ich ihn nicht, aber irgendwie nimmt er einen für sich ein. Als er von Verheek sprach, sah ich eine Spur von Feuchtigkeit in seinen Augen.«
    »Ein reizender Mensch. Ich bin sicher, Fletcher Coal wird entzückt sein, wenn dieser nette kleine Mann in ein paar Stunden bei ihm aufkreuzt.«
    Ihre Füße waren lang und schlank. Einfach perfekt. Er streichelte den Spann und kam sich vor wie ein Schuljunge, der bei der zweiten Verabredung vom Knie aus höher vordringt. Sie waren blass und brauchten Sonne, und er wusste, sie würden in wenigen Tagen braun sein, und zwischen den Zehen würde sich Sand festgesetzt haben. Sie hatte ihn nicht eingeladen, sie später zu besuchen, und das beunruhigte ihn. Er hatte keine Ahnung, wohin sie wollte, und das war Absicht. Vielleicht wusste sie selbst noch nicht, wo sie landen würde.
    Das Spiel mit den Füßen erinnerte sie an Thomas. Jetzt, in dem leise dröhnenden und leicht vibrierenden Jet, war er plötzlich viele Meilen von ihr entfernt. Er war erst seit zwei Wochen tot, aber es kam ihr viel länger vor. So vieles hatte sich verändert. Es war besser so. Wenn sie noch in Tulane wäre, an seinem Büro vorbeigehen, seinen Hörsaal sehen, mit anderen Professoren reden, von der Straße aus zu seiner Wohnung hinaufschauen würde, dann wäre das fürchterlich aufwühlend. Auf lange Sicht sind die kleinen Erinnerungen angenehm, aber in der Zeit des Trauerns stehen
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