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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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Freak mit Passion für die Exaktheit. Einer Leidenschaft dafür, dass alles seine Richtigkeit hat. Dass das, was gesagt ist, auch gesagt ist. Dass es keine Ungenauigkeiten gibt. Dass ein Gesetz, und sei es ein ethisches Gesetz, nun mal eben ein Gesetz ist. Natürlich, sagt Braun, zumindest umgangssprachlich könne man das möglicherweise »zwanghaft« nennen. Für andere kann so ein Wesenszug extrem nervig sein. Wenn Mollath dann aber argumentiert, dann müsse man ihm zumindest rein rational oft recht geben. Auch wenn einem das furchtbar auf den Zeiger gehen könne.
    Zwei Beispiele: Braun und Mollath fahren in der Nähe von Maranello mit ihren Oldtimern. Irgendwas an Brauns Wagen ist nicht in Ordnung, jedenfalls muss ein Fachmann ran: Mollath. Er schraubt fast den ganzen Tag, bis alles perfekt läuft. Später bezahlt Braun für Mollath die Hotelrechnung. Er habe das in der Situation ganz passend gefunden, als Dankeschön für die Arbeit am Auto, sagt Braun. Mollath besteht aber darauf, Braun das Geld in bar zurückzugeben, unerbittlich. »Wenn ich dir helfe, dann helfe ich dir gern«, sagt er, »und was ich bestelle, das bezahle ich auch.«
    Zweites Beispiel, aus dem Jahr 2004. Mollath ist in der schwersten Krise seines Lebens, seine Ehe ist zerstört. Er ist angeklagt wegen schwerer Körperverletzung. Sein Haus wurde auf Betreiben seiner Frau auf Schusswaffen untersucht. Sie hat auch diese fachärztliche Stellungnahme aus dem Bezirkskrankenhaus Erlangen angeleiert, in der eine Medizinerin, die Gustl Mollath zwar nie gesehen oder gesprochen hat, ihm aber mit großer Wahrscheinlichkeit eine schwere Krankheit attestiert.
    Mollath meldet sich bei Braun, er will einen Ferrari 308 verkaufen. Der Käufer wohnt in Petershagen, und weil Braun 40 Kilometer entfernt im niedersächsischen Bad Pyrmont lebt, bietet Braun seinem Kumpel aus Nürnberg an, bei ihm zu übernachten. Man verbringt den Tag miteinander, und rückblickend sagt Braun, Mollath habe ihn da mit seinem Willen zur Genauigkeit einigermaßen genervt. Hier war etwas nicht ganz korrekt und da nicht. Und einmal steht der Deal auf der Kippe. Denn der Käufer will plötzlich das Serviceheft des Wagens sehen. Dem bisher ruhigen Mollath platzt der Kragen. Er habe dem Käufer am Telefon doch erläutert, dass sie in Maranello kein Serviceheft ausstellen. Offenbar habe er da nicht zugehört. Oder es einfach vergessen. Hier habe der Käufer seine 30000 Euro zurück.
    Braun lacht, wenn er sich an den Moment erinnert: Es gehe Mollath eben um Exaktheit, um das, was Sache und gesagt worden ist. Er, Mollath, hat gesagt, dass es kein Serviceheft gibt. Der andere hat das offenbar überhört oder vergessen. Also ist die Sache für Mollath damit erledigt. Eigentlich. Denn so pedantisch ist Mollath dann doch wieder nicht. Der Käufer bittet um Entschuldigung, es kommt zum Kauf.
    Von der dramatischen Lage der persönlichen Krise, in der sein Freund Gustl steckt, erfährt Braun an diesem Tag nichts, kein Wort. Braun hat sich später schwere Vorwürfe gemacht. Er hat nicht gefragt, und Gustl Mollath hat von sich aus nichts erzählt, nicht mal angedeutet. Mollath, sagt Braun, sei einfach so: einer, der die wichtigen Dinge mit sich selbst abmacht.
    Als Restaurator genießt Gustl Mollath bei den Ferraristi einen legendären Ruf. Einmal heimst er in England einen Preis für die Restaurierung eines Dino 246 GT ein, mit dem er selbst in Spa Rennen gefahren war. Dass die motorsportbegeisterten Engländer einem Deutschen einen Preis zuerkennen, und zwar für die Herrichtung eines Ferraris, »das können Sie normalerweise vergessen«, sagt Braun. Bei Mollath, dem Mann aus Nürnberg mit dem Händchen, kamen sie offenbar nicht umhin.
    Sein größtes Projekt war die Restaurierung eines Dino 308 GT 4. Mit dem wollte sich Mollath in der Szene unsterblich machen. Etwa sieben Jahre schraubte er an diesem 255 PS starken Sportwagen, dem ersten aus Maranello mit serienmäßigem Achtzylindermotor. Jedes Teil, jede Schraube und jede Feder muss Mollath mindestens einmal in der Hand gehabt haben. Was das bringen soll, sieben Jahre lang an einem Oldtimer aus den 1970er Jahren herumzuschrauben? Neben Enthusiasmus stand dahinter wohl auch ein ökonomischer Plan: Wenn es Gustl Mollath gelingen würde, jedes Element dieses Ferraris zu restaurieren und so zu optimieren, dass dieses Auto in seiner Oldtimer-Rennklasse den Konkurrenten um ein paar Sekunden überlegen wäre, dann hätte dies den endgültigen Durchbruch
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