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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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geworden, beschreibt er später. Ständig wirft er ihr dunkle Geldgeschäfte vor. Die »Geldgeilheit war auf dem Höhepunkt«, schreibt Mollath über diese Jahre – es habe nur noch »die Rendite« gezählt, koste es, was es wolle. Die Ehe wird immer komplizierter. Seine Frau wolle die angeblichen Kurierfahrten nicht mehr mit der Bahn, sondern mit dem Auto machen, das sei unauffälliger, schreibt Mollath. Zudem sollen zu dieser Zeit »meterlange Faxe aus der Schweiz« in der Privatwohnung eingetroffen sein. »Ich war«, notiert Mollath 2003, »überall mit Krieg konfrontiert«; nicht nur in Jugoslawien, soll das wohl heißen, sondern auch zu Hause.
    Nahezu jeden Tag sei er in dieser Zeit zum Seelenonkel seiner Frau geworden. Beim Abendessen habe er zuhören müssen, »welche gestörten Kunden und Umstände meine Frau am Arbeitsplatz hat«. Nur dass er, der Seelenonkel, inzwischen selbst nicht mehr konnte. Was Mollath beschreibt, der Mann in der Ehekrise, der auch in einer geschäftlichen Krise steckt (zumindest was die schnellen Erlöse betrifft), würde man heute mindestens als Burn-out beschreiben: »Ich war so am Ende, ich konnte mich fast nicht mehr bewegen.« Das ist schon das Symptom einer Depression. Mollath schreibt, er habe seine Frau um Hilfe angefleht. Das aber habe sie nicht interessiert. In diesen Dokumenten findet sich auch ein Eingeständnis, dass es in der Tat eine Auseinandersetzung gegeben hat zwischen den Eheleuten: »Wir haben uns heftig gestritten, sie will nicht aufhören. Wie schon mal passiert, sie geht auf mich los. Tritte und Schläge. Leider wehre ich mich.«

    Was Mollath betont: Früh schon ist der Vietnamkrieg in seiner Familie ein Thema. Seine Mutter kennt eine Frau, die ein Friseurgeschäft in einer der US-Kasernen betreibt. Der Sohn dieser Familie kämpft in Vietnam, als er zurückkommt, ist der Soldat völlig wesensverändert. Er habe nicht gesprochen, habe regelrecht »durch einen durch« geschaut, notiert Mollath. Diesen Eindruck werde er nie vergessen.
    Gehört so was in eine Verteidigungsschrift vor Gericht? Rechtsanwälte würden abraten, vermutlich zu Recht. Mollath aber findet diese Erinnerungen wichtig für seinen Fall: Als der Irakkrieg begonnen hat, im März 2003, also ein halbes Jahr vor Beginn seiner Verhandlung, da habe er seine Kommunionskerze rausgeholt »und Stück für Stück in der Sebalduskirche« zum Erleuchten gebracht.
    1968, Mollath ist zwölf Jahre alt, verfolgt er im Fernsehen die Berichte über das Massaker von My Lai, verübt von US-Soldaten in Vietnam. Und so geht es weiter: Ermordung Martin Luther Kings, der blutige Putsch von Idi Amin, Atombombenversuche auf dem Mururoa-Atoll, aber auch der Nobelpreis an Heinrich Böll und die Verweigerung des Frauenwahlrechtes in Liechtenstein – alles das listet Mollath auf, alles das will er vor Gericht zur Kenntnis genommen wissen, als etwas, was ihn geprägt habe.
    Ende 1999 war er außer sich vor Wut und Empörung über die deutsche Beteiligung am Kosovokrieg. Nun schreibt Mollath diese Briefe, die ihm bis heute vorgehalten werden, wenn jemand zeigen will, dass er offenbar nicht normal sei. Seine Briefe an 600 Bundestagsabgeordnete etwa, an alle persönlich adressiert im Mai 1999. Oder sein Brief an Johannes Paul II. Andererseits: Wenn es um Krieg und Frieden geht – sind Parlamentarier da grundsätzlich die falsche Adresse für einen Brief? Und der Papst? Jedermanns Sache sind solche Schreiben sicher nicht. Aber dokumentieren sie tatsächlich einen Wahn? Oder zeugen sie doch eher von Engagement? Möglicherweise hilflosem Engagement, sicher. Aber eben Engagement.
    Was das mit seinem Fall zu tun haben soll, könnte man fragen. Juristen, vor allem Richter, die auch in Bayern über einen Mangel an Arbeit nicht klagen können, stellen diese Fragen, wenn sie ein solches Konvolut auf den Tisch bekommen. Aber für Mollath sind diese Dokumente wichtig: Jede Form von Gewalt lehne er aus tiefstem Herzen ab. Und zwar schon von Jugend an. Andererseits: Für einen, der angeblich seine Frau geschlagen, bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und getreten haben soll, kann man solche biographischen Details natürlich durchaus für relevant halten. Mollath jedenfalls tut das.
    Man würde zu alledem gerne erfahren, was Gustl Mollaths ehemalige Frau dazu zu sagen hat. Ob sie seine Angaben bestätigt oder womöglich harsch zurückweist. Wie sie jene Jahre zwischen Ferrari-Fahren, Friedensbewegung und Bankgeschäften empfunden hat. Doch
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