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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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ob Mollath zu Recht in der geschlossenen Psychiatrie ist. Das Gesetz sieht eine solche Prüfung einmal im Jahr vor.
    Wieder einmal wird Mollath Richtern erzählen, wie aus seiner Sicht alles so weit kommen konnte. Es ist kein wirres Konvolut, sondern ein vom Anfang bis zur Unterschrift am Schluss durchgehend strukturierter Text, mit korrekten Zitaten aus diversen Medien, genauen Quellen- und Zeitangaben. Ob psychisch krank oder nicht: Dieser Text ist das Dokument eines Menschen, der sich, seinen Werdegang und seine aktuelle Situation genau reflektiert und sich dabei um Präzision bemüht. Das Dokument eines Pedanten. »Ich bitte, Ihnen Folgendes vorlesen zu dürfen«, hat er am Anfang notiert. Schon am Ende der ersten Seite hat Gustl Mollath ein paar Sätze aufgeschrieben, die bitter klingen, seinen Fall aber exakt schildern:
    »Bevor ich in die Hände dieser Ärzte fiel [er meint die Psychiater, die ihn als gefährlich einstufen und seine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie befürworten; d. Verf.], verfügte ich über ein Vermögen von über einer Million. Hatte ein eigenes Haus in bester Wohnlage von Nürnberg, hatte drei Ferraris in der Garage. Jetzt, nachdem ich plattgemacht wurde, habe ich nichts mehr. Nicht einmal ein Bild meiner Mutter ist mir geblieben. Mein ganzes Leben musste ich anderen Menschen nicht so, wie Ihnen heute, entgegentreten. Nicht einmal den Friseur kann ich mir leisten. Wie kam es dazu?«

    Gustl Ferdinand Mollath wird am 7. November 1956 in Nürnberg geboren. Sein Bruder ist zehn Jahre älter. Die beiden werden als Erwachsene den Zugang zueinander verlieren und den Kontakt abbrechen. Als Gustl vier Jahre alt ist, stirbt der Vater an Krebs. Ein Jahr später muss seine Mutter den Betrieb abwickeln, ein kleines Lederwarengeschäft in der Nürnberger Landgrabenstraße mit bisweilen mehr als zwanzig Mitarbeitern.
    Mollath absolviert eine Maschinenbauausbildung in der Lehrwerkstatt der Nürnberger Rudolf Steiner-Schule und legt 1975 die Gesellenprüfung ab. Weil er an dieser Schule kein Fachabitur machen kann, wechselt er auf eine Waldorf-Schule in Nordrhein-Westfalen und erfährt dort nach eigenem Bekunden, »wie Schule sein könnte«. Er habe dort endlich von Peter Weiss erfahren, Carl Zuckmayer und Heinrich Böll, Autoren nach seinem Geschmack. 1977 macht er Abitur, das zweitbeste an seiner Schule. Und das, obwohl gerade seine große Liebe »mit einem Porschefahrer zum Skifahren« gefahren sei. Durchgebrannt also.
    In diese Zeit, Mollath ist 21 Jahre alt, fällt auch die Idee, an Weihnachten keine Geschenke zu verteilen. Sondern stattdessen Weihnachtskarten zu verschicken und einen Dauerauftrag zugunsten der Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International einzurichten. Das mache er bis heute so, notiert Mollath 2003, in einem Schreiben, das er im Zuge des Prozesses gegen ihn vorlegt. Also vor seiner Einweisung in die Psychiatrie. Als Zeugen führt er damals, Mollath ist ein Mann mit hintersinnigem Humor, ausgerechnet Dieter Rampl an, den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Hypovereinsbank. Auch ihn hat er per Karte um Spenden für Amnesty International gebeten.
    Mollath beginnt 1978 ein Maschinenbaustudium und setzt ab 1980 ein Aufbaustudium zum Wirtschaftsingenieur an der Fachhochschule in Rosenheim drauf. In dieser Zeit muss sich seine Mutter einer schweren Krebsoperation unterziehen. Mollath bricht sein Studium ab, um sich um sie kümmern zu können.
    Als Gustl Mollath 22 Jahre alt ist, lernt er seine spätere Frau kennen. Sie ist knapp vier Jahre jünger, geboren 1960. Sie wird Bankkauffrau. Gut zwei Jahrzehnte später beschreibt eine Nürnberger Gerichtsreporterin sie als »schöne, schmale Frau mit beeindruckenden Augen«. Schon kurz nachdem sie sich kennengelernt haben, ziehen Gustl Mollath und seine spätere Frau zusammen. Als deren Großmutter im Sterben liegt, verspricht Mollath dieser, auf die Enkelin aufzupassen. Auch das steht in der Kladde, die Mollath dem Gericht übergibt. Seine ehemalige Frau macht auch auf mehrfache Anfragen der Autoren keine Angaben zu dem ganzen Fall.
    Mollath beendet sein Maschinenbaustudium ohne Abschluss. 1981 beginnt er bei MAN in der Controllingabteilung. Ein lukrativeres Angebot von Daimler-Benz schlägt er aus, er will in Nürnberg bleiben. Als seine Mutter wieder schwer erkrankt, baut er sein eigenes Geschäft auf, ein Geschäft für Motorradreifen und -zubehör. Nebenher kümmert er sich um seine Mutter, die 1984 stirbt.
    Anfang 2013
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