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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung
Autoren: Philip Kerr
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und relativ kurz geschnitten, ihre Augen grün, und sie war auf eine knabenhafte Weise wunderschön, obwohl die Nazis den deutschen Frauen weismachten, dass es völlig in Ordnung war, sich wie eine Milchmagd anzuziehen, wie eine auszusehen und, nach allem, was ich wusste, auch so zu riechen. Die junge Frau auf der Treppe neben mir sah eher so aus, als wäre sie auf einer Muschelschale herbeigeflogen gekommen, durch die Luft geweht von Zephyr persönlich.
    «Sie versprechen, dass Sie mich nicht an die Polizei ausliefern», sagte sie auf dem Weg nach unten.
    «Wenn Sie sich benehmen, ja.»
    «Weil ich nämlich meine Arbeit verliere, wenn ich vor einen Strafrichter komme und er mich in den Knast bringt.» «Arbeit nennen Sie das?»
    «Nein, ich meine nicht den Strich. Ich gehe nur hin und wieder anschaffen, wenn ich zusätzliches Geld brauche, um meiner Mutter zu helfen. Nein, ich meine meine richtige Arbeit. Wenn ich meine Stelle verliere, bleibt mir nur noch der Strich, und das will ich nicht. Vor ein paar Jahren wäre es vielleicht noch anders gewesen, aber heute ... die Zeiten haben sich geändert, und die Leute sind längst nicht mehr so tolerant.»
    «Wie kommen Sie auf diese Idee?»
    «Sie scheinen trotzdem ein anständiger Kerl zu sein.»
    «Es gibt Leute, die das ganz anders sehen», sagte ich bitter.
    «Wie meinen Sie das?», fragte sie.
    «Ach, nichts.»
    «Sie sind kein Jude, oder?»
    «Sehe ich aus wie einer?»
    «Nein. Es war bloß die Art und Weise, wie Sie gesagt haben - was Sie gesagt haben. Sie reden wie ein Jude, manchmal zumindest. Nicht, dass es mich auch nur im Geringsten interessiert, was ein Mann glaubt oder wo er herkommt. Ich kapiere sowieso nicht, was die ganze Aufregung deswegen soll. Ich bin noch nie einem Juden begegnet, der aussieht wie in diesen albernen Zeichnungen. Und ich muss es wissen. Ich arbeite für einen Juden, und er ist der netteste Mann, den man sich überhaupt vorstellen kann.»
    «Und was machen Sie für ihn?»
    «Sie müssen es nicht so formulieren, wissen Sie? Ich sitze nicht auf seinem Gesicht, wenn es das ist, was Sie meinen. Ich bin Stenotypistin bei Odol. Der Zahnpastafirma.» Sie lächelte strahlend, als wollte sie mir ihre Zähne zeigen.
    «Im Europahaus?»
    «Ja. Was ist daran so lustig?»
    «Nichts. Ich komme nur gerade von dort. Offen gestanden, ich habe nach Ihnen gesucht.»
    «Nach mir? Wie meinen Sie das?»
    «Vergessen Sie's. Was macht Ihr Chef bei Odol?»
    «Er leitet die Rechtsabteilung.» Sie lächelte. «Ich weiß - es ist ein ziemlicher Widerspruch, nicht wahr? Ich und eine Arbeit in der Rechtsabteilung.»
    «Und auf den Strich gehen ist also Ihr Hobby?»
    Sie zuckte die Schultern. «Wie ich schon sagte, ich brauche das Geld, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Haben Sie Menschen im Hotel gesehen?»
    «Den Spielfilm? Sicher.»
    «War er nicht wunderbar?»
    «Er war ganz in Ordnung.»
    «Ich bin ein wenig wie Flämmchen, glaube ich. Das Mädchen, das von Joan Crawford gespielt wird. Ich liebe große Hotels wie das in diesem Film. Wie das Adlon. Aber es ist ganz anders, nicht wahr? Ich glaube, in einem Hotel wie dem Adlon passiert eine ganze Menge. Viel mehr als im Leben der meisten gewöhnlichen Menschen. Ich liebe die Atmosphäre in diesem Hotel. Ich liebe den Glamour. Ich liebe es, wie sich die Laken anfühlen. Die großen Badezimmer. Sie haben ja keine Ahnung, wie sehr ich die Badezimmer in diesem Hotel liebe.»
    «Ist das alles nicht ziemlich gefährlich? Freudenmädchen leben riskant. In Berlin gibt es viele Männer, die nur zu gern anderen Schmerzen zufügen. Hitler. Göring. Heß. Um nur drei zu nennen.»
    «Das ist ein weiterer Grund, in ein Hotel wie das Adlon zu gehen. Die Typen, die hier wohnen, wissen, wie man sich benimmt. Sie behandeln Frauen anständig. Sie sind höflich. Abgesehen davon, wenn irgendetwas schiefgehen würde, müsste ich nur schreien, und schon würde jemand wie Sie auftauchen. Was sind Sie überhaupt? Sie sehen nicht aus, als würden Sie am Empfang arbeiten. Nicht mit diesen Pranken. Und Sie sind nicht der Hausdetektiv. Nicht der, den ich vorhin gesehen habe.»
    «Sie scheinen sich hier ja bestens auszukennen», sagte ich, ohne auf ihre Fragen einzugehen.
    «Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.»
    «Sind Sie eine gute Stenotypistin?»
    «Bis jetzt hat sich noch nie jemand über mich beschwert. Ich habe Steno- und Maschinenzeugnisse von der Sekretärinnenschule am
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