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Die Adlon - Verschwoerung

Die Adlon - Verschwoerung

Titel: Die Adlon - Verschwoerung
Autoren: Philip Kerr
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Moment draußen vor dem Hotel auf dem Bürgersteig stehen, um eine Zigarette zu rauchen und unsere Lungen zu trainieren. Über dem Eingang war ein lachendes Gesicht in den Stein gemeißelt. Zweifellos hatte es die Zimmerpreise gesehen. Fünfzehn Mark die Nacht - das war fast ein Drittel dessen, was ich in einer Woche verdiente.
    Ich ging in die Halle, tippte grüßend an meinen feuchten Hut, als ich den neuen Empfangschef passierte, und zwinkerte den Hotelpagen zu. Es waren acht, und sie saßen gähnend auf einer Bank aus poliertem Holz wie eine Kolonie gelangweilter Affen, während sie darauf warteten, von einem Gast oder zu einer sonstigen Pflicht gerufen zu werden. Im Adlon gab es keine Klingeln. Im Hotel herrschte stets eine Stille wie im großen Lesesaal der Preußischen Staatsbibliothek. Ich nahm an, dass es den Gästen recht war, auch wenn mir persönlich ein wenig mehr Lebhaftigkeit und etwas weniger Zurückhaltung lieber gewesen wären. Die Bronzebüste des Kaisers auf einem Kamin aus Siena-Marmor, der beinahe so groß war wie das Brandenburger Tor gleich um die Ecke, schien, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ganz ähnlich zu denken.
    «He!»
    «Meinen Sie mich, Majestät?»
    «Was machen Sie hier, Gunther?», fragte der Kaiser und zwirbelte das Ende eines Schnurrbarts, dessen Spitzen an die Schwingen eines Albatros erinnerten. «Sie sollten sich um Ihre eigenen Geschäfte kümmern. Die Zeiten, in denen wir leben, sind ideal für Abschaum wie Sie. Bei all den Menschen, die in dieser Stadt verschwinden, könnten Sie als Privatdetektiv ein Vermögen verdienen. Je früher Sie damit anfangen, desto besser, würde ich sagen. Schließlich sind Sie wohl kaum geeignet, an einem Ort wie diesem zu arbeiten, meinen Sie nicht? Sehen Sie sich mal Ihre Füße an. Von Ihren Manieren gar nicht erst zu reden.»
    «Was stimmt nicht mit meinen Manieren, Majestät?»
    Der Kaiser lachte auf. «Hören Sie sich doch selbst einmal zu. Dieser Dialekt beispielsweise. Er ist furchtbar. Mehr noch, es gelingt Ihnen nicht einmal, halbwegs überzeugend zu sagen. Sie haben absolut keinen Sinn für Untertänigkeit. Weshalb Sie im Hotelgeschäft völlig nutzlos sind. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum Louis Adlon Sie eingestellt hat. Sie sind ein Strolch. Sie sind immer einer gewesen und werden immer einer sein. Warum sonst haben Sie diesen armen Krichbaum ermordet? Glauben Sie mir - Sie gehören nicht hierher.»
    Ich blickte mich in der prunkvoll eingerichteten Halle um. Betrachtete die Säulen aus Marmor in der Farbe von zerlassener Butter. Boden und die Wände waren auch marmorn - als hätte es einen Schlussverkauf in einem Marmorsteinbruch gegeben. Der Kaiser hatte nicht ganz unrecht. Wenn ich noch länger im Adlon blieb, würde ich wahrscheinlich selbst zu Marmor. Wie einer der nackten, muskelbepackten Helden aus der griechischen Sagenwelt.
    «Ich würde ja gerne aufhören, Majestät», sagte ich zum Kaiser. «Ich kann es mir nur nicht leisten. Noch nicht. Es kostet Geld, ein eigenes Geschäft einzurichten.»
    «Warum gehen Sie nicht zu jemandem von Ihrem Stamm und leihen sich Geld?»
    «Mein Stamm? Sie meinen ...?»
    «Sind Sie nun Vierteljude oder nicht? Das muss doch etwas wert sein, wenn Sie versuchen, sich irgendwo schnelles Geld zu leihen.»
    Ich spürte, wie in mir die Wut aufstieg, als hätte er mich geohrfeigt. Vielleicht hätte ich ihm eine derbe Antwort gegeben, wie der Strolch, der ich in seinen Augen war. Zumindest damit hatte er recht. Stattdessen beschloss ich, seine Bemerkungen zu ignorieren. Immerhin war er der Kaiser.
    Ich fuhr ins oberste Stockwerk und begann meine nächtliche Patrouille durch das Niemandsland der um diese Uhrzeit spärlich erleuchteten Korridore und Treppenhäuser. Meine Füße waren groß, zugegeben, doch sie bewegten sich lautlos auf den dicken türkischen Teppichen. Wäre nicht das leise Quietschen der Ledersohlen meiner besten Salamander gewesen, ich hätte Herrn Jansens Geist sein können, des stellvertretenden Geschäftsführers des Hotels, der sich nach einem Skandal im Jahre 1913, in den unter anderem eine russische Spionin verwickelt gewesen war, mit der Pistole in den Kopf geschossen hatte. Es heißt, Jansen hätte die Pistole in ein dickes Badetuch gewickelt, um die Hotelgäste nicht durch den Lärm des Schusses aufzuschrecken. Ich bin sicher, man war ihm dankbar für seine Rücksichtnahme.
    Ich betrat den Wilhelmstraßenanbau, bog um eine Ecke und
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