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Die Achtsamkeits-Revolution

Die Achtsamkeits-Revolution

Titel: Die Achtsamkeits-Revolution
Autoren: Alan Wallace
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Angst eine nützliche Funktion innehaben und uns helfen kann, auf Gefahren adäquat zu reagieren. Aber in vielen Fällen erleben wir ein Ubermaß an mentalem Leiden, das keinerlei guten Zwecken dient. Es ist einfach nur das Symptom eines unausgeglichenen Geistes.
    Wir leiden vielleicht, weil wir Wünschen und Begierden folgen, die unserem eigenen Wohl und dem anderer völlig entgegenstehen, so zum Beispiel in Fällen von Suchtabhängigkeit. Und es schwächt uns, wenn wir unsere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit nicht nach Belieben konzentrieren und fokussieren können, wenn der Geist zwanghaft einer Ablenkung oder Zerstreuung nach der anderen anheimfällt oder wenn er einfach in Dumpfheit abgleitet. Es kommt zwangsläufig zu allen möglichen Schwierigkeiten, wenn wir in unserer Realitätswahrnehmung in die Irre gehen, indem wir entweder Dinge, die sich uns klar und deutlich präsentie
     

    ren, gar nicht wahrnehmen oder indem wir die Realität mit unseren ganz persönlichen Projektionen und Phantasien verwechseln. Es kann auch unnötiger innerer Aufruhr entstehen, wenn wir uns von emotionalen Unausgewogenheiten und Störungen überwältigen lassen, zwischen exzessiver Hoffnung und Angst, Hochgestimmt- heit und Depression hin- und herschwanken. Das allen derartigen mentalen Unausgewogenheiten gemeinsame Symptom ist Leiden. So wie wir Schmerz im Körper empfinden, wenn er verletzt oder krank ist, empfinden wir auch auf mentaler Ebene Schmerz, wenn unser Geist von Leid verursachenden Gedanken und Emotionen geplagt wird oder aus dem Gleichgewicht geraten ist.
    Ein sinnerfülltes Leben orientiert sich am Streben nach echtem Glück, das das Ergebnis eines ausgeglichenen Geistes ist. Je gesünder der Geist, desto größer das Gefühl von innerem Wohlbefinden. Und der Schlüssel dazu, dass man zu solchen außerordentlichen Zuständen geistiger Gesundheit gelangt, ist in der Entwicklung und Entfaltung von fokussierter Achtsamkeit zu finden. Shantide- va hebt hervor, wie wichtig die Entwicklung von Shamatha ist, und warnt: »Personen, deren Geist abgelenkt ist, befinden sich in den Fängen der negativen Emotionen.« 118 Wenn der Geist Achtsamkeitsstörungen unterworfen ist, ist das so, als wäre das psychische Immunsystem geschädigt, weshalb er dann leicht von allen möglichen Leid und Konflikt verursachenden Gedanken und Emotionen überwältigt werden kann.
    Das Streben nach Wahrheit
    Es gibt zwar viele Arten von Wissen und Kenntnissen, aber das Wissen und Verständnis, das zu echtem Glück führt, ist für ein sinnerfülltes Lebens von absolut zentraler Bedeutung. Dem heiligen Augustinus zufolge müssen wir als Einziges nur die Antwort auf die Frage wissen: »Wie kann der Mensch glücklich sein?« 119 Dieses Glücklichsein bezeichnet er als eine wahrheitsbedingte Freude, und
     

    für Augustinus ist die einzige Wahrheit, die ein solches Glücklichsein zu bewirken vermag, die göttliche. In seinem Gebet »Möge ich mich selbst erkennen, damit ich Dich erkenne« hören wir Sokrates' BClage widerhallen: »Noch immer bin ich nicht imstande, mich selbst zu erkennen, wie die Inschrift in Delphi es verlangt; und es erscheint mir wahrhaft lächerlich, Einsicht in andere Dinge nehmen zu wollen, bevor ich diese Erkenntnis erlangt habe.« 120
    Es gibt viele Wahrheiten, die auf unsere Entdeckung warten, viel Wissen, das es zu erwerben gilt, aber was kann wichtiger und für das Streben nach echtem Glück relevanter sein als die Einsicht in unsere eigene Natur und in unsere Beziehung zu unserer Umwelt? Das Erkunden und Erforschen unseres eigenen Geistes ist für dieses Streben von zentraler Bedeutung. Zwar können uns Forschungsergebnisse im Bereich der Verhaltens- und Neurowissen- schaften indirekt sehr viel über spezifische mentale Prozesse mitteilen, aber was die Erforschung des Geistes angeht, so müssen wir uns als Erstes, vor allem und immer auf die Innenschau und Selbstbeobachtung verlassen, wie William James sagt. 121 Eine Auffassung, die von Kontemplativen überall auf der Welt geteilt wird, und für dieses introspektive Erforschen der Tiefen des menschlichen Geistes ist fokussierte Achtsamkeit unerlässlich.
    Das Streben nach Tugend
    Aristoteles setzte echte Glückseligkeit mit dem »Guten« gleich und erklärte, dass »die Glückseligkeit eine der vollendeten Tugend gemäße Tätigkeit der Seele ist« 122 . Jeder von uns muss, entsprechend den eigenen Glaubenssystemen und Wertvorstellungen, selbst definieren, was wir als
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