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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Autoren: Gillian Shields
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Tod ein Platz in der Schule frei geworden ist. Die Idioten, die hier das Sagen haben, wollten so tun, als würden sie ihre christliche Pflicht erf?llen, indem sie dich in Wyldcliffe aufnehmen. Aber wenn Laura nicht gestorben w?re, dann w?rst du auch nicht hier.? Celestes Stimme zitterte vor Wut. ?Mir wird schon ?bel, wenn ich dich nur ansehe.?
      »Aber das war doch nicht mein Fehler«, wandte ich ein. »Es tut mir wirklich leid, was mit deiner Kusine passiert ist, aber ich denke – «
      »Es interessiert mich nicht, was du denkst, Johnson. Wir wollen dich hier nicht, und wir werden dafür sorgen, dass du es hier nicht lange aushältst. Vergiss nicht – du schläfst im Bett eines toten Mädchens. Ich hoffe, sie verfolgt dich bei jedem einzelnen Atemzug.«
      Celeste stapfte nach draußen, und ihre kleine Gang folgte ihr. Ich hatte das Gefühl, als hätte man mir einen Schlag ins Gesicht versetzt. Eine Sekunde lang stand ich wie erstarrt da, dann stieg Wut in mir auf.
      »Was zum – ?«
      Eine Glocke läutete im Flur. Helen stand auf und ging mit einer kleinen Kosmetiktasche zur Tür.
      »Zieh dich lieber um. Es dauert nicht lange, bis die Glocke zum zweiten Mal klingelt und das Licht ausgemacht wird.« Sie wich meinem Blick aus und ging eilig weg.
      Ich kochte innerlich vor Wut, raffte die Kerzen und den schwarzen Stoff zusammen und schleuderte alles auf Celestes Bett. Allerdings gelang es mir nicht, das Foto von der Wand zu nehmen. Klasse , dachte ich, jetzt schlafe ich unter dem abgefahrenen Bild eines toten Mädchens, das die ganze Nacht auf mich runterguckt. Das hatte mir gerade noch gefehlt.
      Ich konnte nicht fassen, dass mein erster Abend auf Wyldcliffe so katastrophal verlaufen war. Celeste war natürlich komplett ungerecht mir gegen?ber. Oh, ich wusste nur zu gut, was f?r seltsame Auswirkungen Trauer bei Menschen haben konnte, aber es tat trotzdem weh. Ich atmete tief durch und versuchte, mich zu beruhigen. Es war, als k?nnte ich Frankies Stimme in meinem Kopf sagen h?ren: Arme Celeste, wir sollten sehr freundlich zu ihr sein .
      Frankie kannte sich mit Trauer aus. Sie hatte vor fünfzehn Jahren ihre einzige Tochter Clara verloren, an einem grausam strahlenden Frühlingsmorgen. Clara Johnson. Meine Mutter.
      Sie war ertrunken, als sie in den dunklen Wellen geschwommen war, die vom Atlantik hereinrollten und in meiner Heimat ans Ufer krachten. Ich war damals noch ein Kleinkind gewesen, aber die Leute, die sich an Mom erinnerten, sagten, ich würde aussehen wie sie: Wir hatten die gleichen langen, roten Haare, die helle Haut und die meergrauen Augen. Ich besaß keine einzige Erinnerung an sie, nicht einmal an den Klang ihrer Stimme, und so hatte die gute Frankie sich alle Mühe gegeben, die Stelle ihrer toten Tochter einzunehmen. Und jetzt würde ich vielleicht auch noch Frankie verlieren. Ich schätze, ich wusste nur zu gut, wie Celeste sich fühlte.
      »Ich verspreche«, sagte ich leise zu mir selbst, »dass ich versuchen werde, freundlich zu ihr zu sein.« Aber es waren leere Worte. Wie viel Mühe ich mir auch gab, Mitgefühl mit Celeste zu empfinden, ich wusste einfach, dass wir nie Freunde sein würden.
      Ich raffte meine auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke zusammen. Der alte blaue Sweater war immer noch um Moms zerbrochenen Bilderrahmen gewickelt. Ich faltete ihn auseinander, wobei ich darauf achtete, dass ich die Scherben nicht ber?hrte. Und dann starrte ich verwundert auf das, was ich in meiner Hand hielt.
      Der Rahmen, in dem sich das Foto befand, war ganz. Das Glas war vollkommen in Ordnung, als wäre es nie auch nur im Geringsten beschädigt worden, und es war auch kein Blutfleck mehr auf dem Gesicht meiner Mutter.
      Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, ich hätte mir das alles nur eingebildet: die dunkle Straße, den Jungen, das Pferd – aber das war nicht möglich, denn ich hatte immer noch sein Taschentuch um meine Hand. Ich riss es ab, und da war er: ein kleiner Tropfen aus getrocknetem Blut, der über meine rechte Handfläche gelaufen war. Ich hatte gesehen, dass das Glas zerbrochen gewesen war. Und jetzt war das Glas nicht mehr zerbrochen.
      Unmöglich.
      Helen kam zurück ins Zimmer. Sie zog den Vorhang um ihr Bett fest zu, womit sie mich und alle anderen ausschloss. Ich entschied, das Gleiche zu tun.
      Als ich mich hinlegte, hörte ich, wie Celeste und ihre Freundinnen kichernd und tuschelnd vom Badezimmer zurückkehrten. Dann ertönte die
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