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Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit

Titel: Die Abtei von Wyldcliffe - Die Schwestern der Dunkelheit
Autoren: Gillian Shields
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spüre die Erde unter meinem Körper und die Luft auf meinem Gesicht und fühle immer noch, wie diese Flamme in mir brennt und tanzt.
      Wenn ich nur jemanden hätte, mit dem ich reden könnte, eine Freundin, oder eine Schwester. Manchmal stelle ich mir diese Freundin so intensiv vor, dass ich schwören könnte, sie fast zu sehen. Jetzt ist wenigstens der liebe S. wieder zurück. Wenn er nur in zwei Meilen Entfernung in der Hall ist, kann ich nicht einsam sein. Er hat von seinem Vater eine schöne, neue schwarze Stute bekommen, und er hat versprochen, dass wir oft zusammen ausreiten werden, sobald er sich etwas erholt hat. Ich werde mich damit zufriedengeben müssen, dass ich meine Bildung durch ihn erhalte, aus zweiter Hand, und dass ich die Welt durch seine Geschichten sehe. Und doch wei? ich tief in meinem Herzen, dass ich in der Lage bin, etwas Lohnendes zu vollbringen, und ich werde nicht ruhen, bis ich es gefunden habe.
      Ich stehe an einer Schwelle, hinter mir liegt die Kindheit und vor mir meine Bestimmung. Es ist, als würde ich mich am Scheitelpunkt einer Welle befinden, die mich an irgendein fernes, unbekanntes Ufer wirft.
     

 Fünf
 
 
      
      A ls die Morgenglocke läutete, klang es wie Feueralarm. Ich schleppte mich aus dem Bett und ins Badezimmer. Es gab dort zwei oder drei altmodische Zellen, die jeweils mit einer antiquiert wirkenden Dusche und einem Gewirr von Kupferleitungen ausgestattet waren. Ich nahm gleich die erste und verschloss die Tür hinter mir.
      Mein Kopf schmerzte vor Schlafmangel, und eine quälende Unruhe, die ich nicht loswurde, nagte an mir. Als ich mich auszog, stellte ich fest, dass die Verletzung an meiner Hand zu einer dunkelroten Linie verheilt war – die Schnittwunde, die anscheinend wie aus dem Nichts gekommen war. Das alles ergab überhaupt keinen Sinn. Hätte ich nur mit irgendjemandem darüber sprechen können.
      Ich vermisste Dad und Frankie so sehr, dass es weh tat.
      Als ich unter der lauwarmen Dusche stand, versuchte ich, das Wasser alles wegspülen zu lassen. Vergiss es , sagte ich zu mir. Ich habe vermutlich alles falsch verstanden. Das Glas war überhaupt nie zerbrochen gewesen. Ich musste mich an einer Ecke des Messingrahmens geschnitten haben, das war alles. Oder vielleicht war etwas Scharfkantiges in den Sweater gefallen, als ich ihn zu Hause eingepackt hatte. Es gab kein R?tsel. Und mich beobachtete auch niemand. Es war unm?glich.
      Unmöglich.
      Ich musste mich auf die neue Schule konzentrieren, musste mich damit beschäftigen, sie kennen zu lernen und zu erfahren, wie ich wohin gelangte, ich musste mir Mühe im Unterricht geben und Celeste aus dem Weg gehen. Das andere sollte ich einfach vergessen. Vor allem sollte ich den Jungen mit den dunklen Haaren und den eindringlichen Augen vergessen.
      Ich kehrte in den Schlafsaal zurück und zog die noch unvertraute Tracht an: den dunkelgrauen Rock, die blutroten Strümpfe, das altmodische Halstuch. Ich sah in den Spiegel, der an der Wand hing, und erkannte das Mädchen kaum, das mir von dort entgegensah.
      Celeste, India und Sophie kehrten einander fröhlich anstupsend aus dem Badezimmer zurück.
      »Oh, wie süß«, sagte Celeste. »Sie bewundert ihre Schultracht. Was für eine Schande, dass sie sie nicht lange tragen wird, was?«
      Ich erinnerte mich daran, dass ich mir vorgenommen hatte, tolerant zu sein, und schluckte die ärgerliche Erwiderung hinunter, mit der ich am liebsten zurückgeschlagen hätte. Es war enorm anstrengend.
      »Komm, Evie«, sagte Helen. »Gehen wir frühstücken.«
      Überrascht sah ich sie an. Ich hatte nicht erwartet, dass Helen mich in irgendeiner Weise unterstützen würde. Dankbar folgte ich ihr aus dem Zimmer, aber sie ging nicht zur Marmortreppe, die die anderen Mädchen zur großen Halle hinunterstiegen. Stattdessen zog sie mich in einen Alkoven, der durch einen Vorhang vom Korridor abgeteilt und so halbwegs verborgen war. Im hinteren Teil des Alkovens befand sich eine schlichte Holzt?r. Helen zog einen Riegel zur?ck und stie? die T?r auf.
      Ich sah einen schwach beleuchteten, verborgenen Treppenabsatz, von dem aus einige Holzstufen in totale Dunkelheit hinunterführten. Helen griff hinter die Tür und holte eine Taschenlampe hervor, die sie einschaltete. »Die lasse ich immer hier liegen«, sagte sie. »Komm. Diese Treppe benutzt offiziell niemand mehr, aber ich zeige dir den Weg. So müssen wir uns nicht um Celeste und ihre Gruppe
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