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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Autoren: Jaroslav Hasek
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Strafgericht in Prag wiederholen, und mit diesen Worten wird er auch seine Kerkerzelle betreten.
    Als Schwejk alle diese schrecklichen Verschwörergeschichten angehört hatte, hielt er es für angezeigt, den Arrestanten die vollständige Hoffnungslosigkeit ihrer Situation zu erklären.
    |21| »Ja, mit uns allen stehts sehr schlecht«, begann er seine Trostesworte. »Das is nicht wahr, was ihr sagt, daß euch, uns allen, nix geschehn kann. Wofür ham wir eine Polizei, als dafür, daß sie uns für unsere losen Mäuler straft. Wenn eine so gefährliche Zeit kommt, daß man auf Erzherzoge schießt, so darf sich niemand wundern, daß man ihn auf die Polizeidirektion bringt. Das geschieht alles von wegen der Aufmachung, damit der Ferdinand Reklam hat vor seinem Begräbnis. Je mehr unser hier sein wern, desto besser wirds für uns sein, denn um so lustiger wern wirs haben. Wie ich beim Militär gedient hab, war manchmal unsere halbe Kompanie eingesperrt. Und wieviel unschuldige Leute sind schon verurteilt worn. Und nicht nur beim Militär, sondern auch von den Gerichten. Einmal is, ich erinner mich noch gut, eine Frau verurteilt worn, weil sie ihre neugeborenen Zwillinge erwürgt hat. Obgleich sie steif und fest geschworen hat, daß sie die Zwillinge nicht hat erwürgen können, weil sie nur ein Mäderl zur Welt gebracht hat und es ihr gelungen war, es ganz schmerzlos zu erwürgen, is sie trotzdem wegen Doppelmord verurteilt worn. Oder dieser unschuldige Zigeuner in Zabéhlitz, was am Christtag in der Nacht in einen Bäckerladen eingebrochen is. Er hat geschworen, daß er sich nur anwärmen gegangen is, aber es hat ihm nichts genützt. Wie das Gericht mal was in die Hand nimmt, stehts schlimm. Aber das muß sein. Vielleicht sind nicht alle Leute solche Lumpen, wie man es von ihnen voraussetzen kann: aber wie unterscheidest du heutzutage einen anständigen Menschen von einem Lumpen, besonders heut, in einer so ernsten Zeit, wo sie diesen Ferdinand abgemurkst ham. Da hat man bei uns, wie ich beim Militär in Budweis gedient hab, im Wald hinterm Exerzierplatz den Hund von unserem Hauptmann erschossen. Wie er davon erfahren hat, hat er uns alle rufen lassen, hat uns antreten lassen und hat gesagt, daß jeder zehnte Mann vortreten soll. Selbstverständlich war ich auch der zehnte, und so sind wir Habtacht gestanden und ham nicht mal gezwinkert. Der Hauptmann geht um uns herum und sagt: ›Ihr Lumpen, Schurken, Kanaillen, gefleckte Hyänen, ich möcht euch allen wegen dem Hund Einzel aufpelzen, |22| euch zu Nudeln zerhacken, erschießen und blauen Karpfen aus euch machen. Damit ihrs aber wißt, daß ich euch nicht schonen wer, geb ich euch allen zehn Tage Kasernarrest.‹ Also seht ihr, damals hat sichs um ein Hunterl gehandelt, und jetzt handelt sichs sogar um einen Erzherzog. Und deshalb muß Schrecken sein, damit die Trauer für was steht.«
    »Ich bin unschuldig, ich bin unschuldig«, wiederholte der Mann mit dem gesträubten Haar.
    »Jesus Christus war auch unschuldig«, sagte Schwejk, »und sie ham ihn auch gekreuzigt. Nirgendwo is jemals jemandem etwas an einem unschuldigen Menschen gelegen gewesen. ›Maulhal ten und weiterdienen!‹ – wie mans uns beim Militär gesagt hat. Das is das Beste und Schönste.«
    Schwejk legte sich auf das Kavallett und schlief friedlich ein.
    Inzwischen brachte man zwei Neue. Einer von ihnen war ein Bosniake. Er schritt in der Zelle auf und ab, knirschte mit den Zähnen und jedes zweite Wort von ihm war: »Jeben ti duschu.« 3 Ihn quälte der Gedanke, daß ihm auf der Polizeidirektion sein Gottscheerkorb 4 verlorengehen könnte.
    Der zweite neue Gast war der Wirt Palivec, der seinen Bekannten Schwejk, als er ihn bemerkte, weckte und mit einer Stimme voller Tragik rief: »Ich bin auch schon hier!«
    Schwejk schüttelte ihm herzlich die Hand und sagte: »Da bin ich wirklich froh. Ich hab gewußt, daß jener Herr Wort halten wird, wie er Ihnen gesagt hat, daß man Sie abholen wird. So eine Pünktlichkeit is eine schöne Sache.«
    Herr Palivec bemerkte jedoch, daß so eine Pünktlichkeit einen Dreck wert sei, und fragte Schwejk leise, ob die andern eingesperrten Herren nicht Diebe seien, weil ihm das als Gewerbetreibendem schaden könne.
    Schwejk erklärte ihm, daß alle, bis auf einen, der wegen versuchten Raubmordes an einem Bauer aus Holitz hier sei, zu ihrer Gesellschaft wegen des Erzherzogs gehören.
    |23| Herr Palivec war beleidigt und sagte, daß er nicht wegen irgendeines dummen
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