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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Autoren: Jaroslav Hasek
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der deutsch-nationale Student lesen und läse er dieses Buch, so wäre er schnell bei der Hand, etwa zu sagen: »Solch einen Feldkuraten hats sicherlich nicht einmal bei den Nazis gegeben.« Vielleicht hats ihn nicht gegeben. Die schwerflüssige Besoffenheit dieser Figur ist himmlisch, wenn auch um eine Kleinigkeit zu gedehnt beschrieben, und im übrigen kommt es gar nicht darauf an, obs das gegeben hat. Was Hašek aber über die Offiziersburschen und die Gefängnisse, in denen ein Zigarrenstummel, sonntags aus einem Spucknapf aufgeklaubt, mehr galt als das ganze Evangelium, was er über die Kasernen sagt und über die Arreste – das klingt verdammt echt und wird schon stimmen. Schwejk sieht demgegenüber sanft darein, ihm ist der eine Vertreter der Militärmacht so viel wie der andre, und wir schließen uns dem vollinhaltlich an. Nur tut er etwas, was nicht allen gegeben ist: Er lächelt freundlich, ist noch eine Kleinigkeit gerissener als die andern und nimmt nichts ernst. Und das ist das Klügste, was er tun kann …

    Weltbühne, Nr. 23, 8. 6. 1926

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F. C. Weiskopf
Der brave Soldat Schwejk
    Das populärste tschechische Buch ist durch die soeben erschienene Übersetzung des »Braven Soldaten Schwejk« auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht worden. Und das ist gut so, denn dieses Buch gibt nicht nur ein treffendes Bild von einem noch heute auf den Prager Straßen und in den Prager Vorstadtwirtshäusern oft genug anzutreffenden Typus, es ist auch wie kein zweites dazu geeignet, das alte Österreich einem Leser, der es wahrscheinlich nur in anderer Beleuchtung gesehen hat und sieht, so zu malen, wie es wirklich gewesen ist. Wie es wirklich gewesen ist – namentlich dort, wo es sich dem tschechischen Volk und den anderen nationalen Minderheiten als Stiefvater Staat entgegengestellt hat.
    Das populärste tschechische Buch – dieses Wort bedarf einer gewissen Beschränkung. Populär ist der Schwejk nur im Volk. Die offizielle Literaturgeschichte kennt weder ihn noch seinen Autor: Die Kathedergrößen geraten in Zorn, wenn sie auch nur von ihm hören. Ich erinnere mich – um nur ein Beispiel für dieses Verhalten der professoralen Größen zu geben – sehr gut einer jener obligaten albernen Rundfragen, die gegen Jahresende von der großen Tageszeitung »Tribuna« veranstaltet werden; es war die vorjährige, und sie lautete: »Wel che fünf Bücher würden Sie mitnehmen, wenn Sie auf einer wüsten Insel leben müßten?« Die diversen Leuchten von Literatur, Kunst und Politik gaben feierlich Antwort. Und unter ihnen gab es nicht weniger als drei (berühmte Namen!), die sich mit der Aufzählung jener fünf Bücher nicht begnügten, sondern in aller Form ein Anathema gegen den Schwejk schleuderten, indem sie ihn ausdrücklich aus der Zahl der |801| Bücher verbannten, die sie für wert hielten, auf das Robinsoneiland mitgenommen zu werden. Auch die Hohe Militärverwaltung ist Hašek und dem Schwejk nicht wohlgesinnt. Sie hat ihn neulich sogar auf den Index gesetzt und verbietet den Soldaten seine Lektüre. Aber weder die Mißachtung der Professoren noch die Unfreundlichkeit der Militärs haben Schwejks Popularität abzuschwächen vermocht: Dutzende von »Fort setzungen « der »Abenteuer«, unzählige Lustspiele, eine Menge von Filmen beweisen gerade das Gegenteil. Aber ein Don Quijote ist der Schwejk nicht, wie seine Übersetzerin in etwas überschwenglicher Weise behauptet (Vorwort zur [ersten] deutschen Ausgabe) oder vielmehr dadurch andeutet, daß sie Hašek den tschechischen Cervantes nennt.
    Schwejk ist nämlich kein internationaler und vor allem kein »ewiger«, immer wiederkehrender Typus. In ihm findet der Leser nicht ein Stück seiner eigenen, mit Windmühlen kämpfenden und unter Weinen und Lachen sterbenden Romantik wieder. Nein, Schwejk ist das Geschöpf eines ganz bestimmten Milieus, einer ganz bestimmten Zeit. Und zugleich damit wird er »Geschichte«. Schwejk ist ein Geschöpf des alten Österreich. Er konnte nur in jener Atmosphäre von Borniertheit, Schlamperei, gutmütiger Perfidie, anachronistischem Absolutismus und nationaler Unterdrückung entstehen, die den alten Donaustaat charakterisierten. Er konnte nur in einer Zeit, da dieser morsche Staatskadaver in seinen letzten krampfhaften Zuckungen lag, nur im Krieg, zum lächerlichen, blöd-verschlagenen Helden werden, an dessen verschmitzter, fatalistischer Sabotage der Staat nicht zuletzt zugrunde ging. Mit dem Untergang
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