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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Autoren: Jaroslav Hasek
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bis sich Leute ansammelten und die Redaktion ihn hinaufholen lassen mußte. Reden hielt er überhaupt gern. Seine Partei hieß »Partei des gemäßigten Fortschrittes in den Grenzen des gesetzmäßig Erlaubten«, und er hielt für sie über tausend Wählerversammlungen ab. Am Schluß einer jeden sammelte er für den Wahlfonds, über dessen Zweck er jeden Zweifel ausschloß. Er versoff ihn an Ort und Stelle.
    |793| Seine tausend begangenen und geschriebenen Streiche aufzuzählen, ist so unmöglich wie bei Mark Twain. Aber eine Figur hat er geschaffen, die geradezu von historischer Bedeutung ist: den »guten Soldaten Schwejk«, den tschechischen Soldaten, der als dumm gilt und so folgsam ist, daß er den ganzen Dienstbetrieb vernichtet. In seiner aktiven Resistenz steckt er als Wachposten das Pulvermagazin in Brand (daß er nicht rauchen dürfe, wurde ihm vom Wachkommandanten nicht eingeschärft) und verwehrt mit geladenem Gewehr der Feuerwehr die Einfahrt. Vom Leutnant geschickt, eine Flasche Klosterneuburger Weins zu holen, setzt er sich in die Eisenbahn und fährt nach Klosterneuburg. An diesem Soldaten Schwejk, der im Frieden von Hašek geschaffen wurde, mußte die österreichisch-ungarische Monarchie zugrunde gehen. Im Weltkrieg wird Schwejk verhaftet, als er vor dem Plakat der Kriegserklärung Rumäniens (1916, als es schon in ganz Prag nur noch Defätisten gab!) in Hochrufe auf den Kaiser Franz Josef ausbricht. Die Passanten lachen, aber der Festgenommene (als Höhner Festgenommene) muß freigelassen werden: er hat’s in aller Unschuld ernst gemeint. So macht er’s von Tag zu Tag, stiftet immer größere Verwirrung und trägt (mehr als viele heroische Gesten offener Hochverräter) zur Vernichtung der Staaten bei. Diese Gestalt ist echt und ewig, wenn sie auch im Inhalt den Politikern, in der Form den Literarhistorikern mit niederen und höheren Weihen nicht gefallen mag. Und ihr lustiger Schöpfer wird zu Grabe getragen wie der junge Werther: Handwerker trugen ihn, kein Geistlicher hat ihn begleitet.

    Das Tage-Buch, Nr. 3/1923

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Kurt Tucholsky
Herr Schwejk
    Neulich habe ich hier davon erzählt, wie mir in den sechs so sehr zu empfehlenden Bänden des »Welthumors« von Roda Roda (erschienen bei Albert Langen) im letzten Band ein Mann aufgefallen ist, dessen Humor völlig neuartig erscheint: Jaroslav Hašek. Ein Pariser Leser der »Weltbühne« hat uns dann einiges vom Lebenslauf dieses seltsamen Menschen mitgeteilt, der, vierzigjährig, vor drei Jahren gestorben ist, und auch davon, wie populär, ja, berühmt Hašek bei den Tschechen ist. Ich wäre schrecklich stolz auf meine Entdeckung, wenn die eine wäre und wenn Hašek nicht so groß wäre, daß er sofort auffallen muß.
    Das Kapitel im »Welthumor« ist der Anfang von Hašeks Hauptwerk, dessen erster Band jetzt in deutscher Übersetzung vorliegt. »Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk während des Weltkrieges« (bei Adolf Synek in Prag). Zu diesem Buch ist mir in der gesamten Literatur kein Gegenstück bekannt. Deshalb will ich erzählen, was ich darin gefunden habe.
    Herr Schwejk ist dumm-pfiffig, klein, völlig unbekümmert um alles, was mit ihm geschieht, aber voll des größten Interesses für alles, was um ihn herum vorgeht. Wo bei andern Pathos ist, da blinzelt er treuherzig-gelassen, und oft fragt man bei so viel Unbekümmertheit, ob er spaße. Nein, es ist ihm nur leicht ums Herz.
    Diesen Schwejk nun stellt der Verfasser in den Weltkrieg, und es begibt sich, daß der kleine Tscheche die gesamte österreichische Monarchie übers Ohr haut, wozu nicht viel gehört – mehr: daß er ihrer Herr wird, daß er sich mit der unschuldigsten Miene von der Welt über sie lustig macht und daß alles |795| vor diesem idiotisch-schlauen Kerl versinkt, Sieg, Niederlage, Ehre, Ruhm, General und Krankenschwester. Die Gespräche des Herrn Soldaten sind alle von leichter Blödelei angefüllt, an jeder Gesprächsecke überfallen ihn die Erinnerungen seiner Gasse, und wenns ernst wird, beginnt er, dem erstaunten Partner mit einer Geschichte aufzuwarten. So etwas von Pointenlosigkeit soll noch mal geboren werden. Aber um von dem Wesen des bekanntesten aller Soldaten einen Begriff zu geben, setze ich den Anfang des Buches hierher.
    »,Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen‹, sagte die Bedienerin des Herrn Schwejk, der vor Jahren den Militärdienst verlassen hatte, nachdem er von der militärärztlichen Kommission endgültig für blöd erklärt
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