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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Autoren: Jaroslav Hasek
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was nicht mit der Disziplin und den Verordnungen über den Verkehr zwischen niedrigeren Offizieren mit höheren im Einklang stand.
    In seinem Bewußtsein klaffte in dieser Hinsicht ein ungeheurer Zwischenraum und Abgrund.
    In der Schule hatte sie niemand darüber belehrt, wie sich in so einem Fall ein niedrigerer Offizier einem andern, höhergestellten gegenüber zu verhalten habe.
    Hätte er nicht zu Ende scheißen und zur Aborttür stürzen sollen, mit einer Hand die Hose festhaltend und mit der andern die Ehrenbezeigung leistend?
    |783| »Also antworten Sie, Kadett Biegler!« rief Leutnant Dub herausfordernd.
    Und da fiel Biegler eine ganz einfache Antwort ein, die alles aufklärte: »Herr Leutnant, bei meiner Ankunft beim Brigadestab wußte ich nicht, daß Sie hier zugegen sind, und nachdem ich in der Kanzlei meine Angelegenheiten geregelt hatte, begab ich mich sofort auf den Abort, wo ich blieb, bis Sie kamen.«
    Wobei er mit feierlicher Stimme hinzufügte: »Kadett Biegler meldet sich gehorsamst bei Herrn Leutnant Dub.«
    »Sehn Sie, daß das keine Kleinigkeit ist«, sagte Leutnant Dub mit Bitterkeit, »meiner Ansicht nach hätten Sie sofort, wie Sie zum Brigadestab gekommen sind, in der Kanzlei fragen sollen, Kadett Biegler, ob nicht zufällig ein Offizier von Ihrem Bataillon oder von Ihrer Kompanie hier zugegen ist. Über Ihr Verhalten werden wir beim Bataillon entscheiden. Ich fahre per Automobil hin, und Sie fahren mit. – Kein aber!«
    Kadett Biegler wandte nämlich ein, man habe ihm in der Brigadekanzlei eine Marschroute per Eisenbahn ausgehändigt, eine Art zu reisen, die ihm in Anbetracht des Zitterns seines Mastdarms angezeigter erschien. Weiß doch jedes Kind, daß Automobile nicht für derlei Dinge eingerichtet sind. Bevor man hundertachtzig Kilometer durchfliegt, hat mans schon längst in der Hose.
    Der Teufel weiß, wie es geschah, daß die Erschütterungen des Automobils anfangs, als sie losfuhren, auf Biegler keinen Einfluß hatten.
    Leutnant Dub war ganz verzweifelt, daß es ihm nicht gelang, seinen Racheplan auszuführen.
    Zu Beginn der Fahrt dachte Leutnant Dub nämlich im Geiste: Wart nur, Kadett Biegler, wenns über dich kommt, glaub nicht, daß ich halten laß.
    In diesem Sinn knüpfte er auch, soweit dies in Anbetracht der Geschwindigkeit möglich war, mit der sie die Kilometer zurücklegten, ein angenehmes Gespräch darüber an, daß die Militärautomobile, da sie ihren Weg genau bemessen haben, mit Benzin nicht verschwenderisch umgehen und nirgends halten dürfen.
    |784| Kadett Biegler wandte dagegen ganz richtig ein, daß ein Automobil, wenn es irgendwo auf etwas warte, überhaupt kein Benzin verbrauche, da der Chauffeur den Motor abstelle.
    »Wenn ein Automobil«, fuhr Leutnant Dub unerschütterlich fort, »zur bestimmten Zeit an seinem Bestimmungsort ankommen soll, darf es sich nirgendwo aufhalten.«
    Seitens Kadett Bieglers erfolgte keine Antwort mehr.
    So durchschnitten sie über eine Viertelstunde lang die Luft, als Leutnant Dub plötzlich fühlte, daß er einen aufgeblähten Bauch hatte und daß es angezeigt wäre, zu halten, auszusteigen, sich in den Straßengraben zu begeben, die Hose hinunterzulassen und Erleichterung zu suchen.
    Er hielt sich wie ein Held bis hundertsechsundzwanzig Kilometer; dann zog er den Chauffeur energisch am Mantel und schrie ihm ins Ohr: »Halt!
    Kadett Biegler«, sagte Leutnant Dub gnädig, indem er rasch aus dem Automobil in den Straßengraben sprang, »jetzt haben Sie auch Gelegenheit.«
    »Danke«, erwiderte Kadett Biegler, »ich will das Automobil nicht überflüssig aufhalten.«
    Und Kadett Biegler, der auch schon höchste Zeit hatte, sagte sich im Geiste, daß er sich lieber bemachen werde, als die schöne Gelegenheit zu verpassen, Leutnant Dub zu blamieren.
    Bevor sie Zoltanecz erreichten, ließ Leutnant Dub noch zweimal halten, und nach der letzten Station sagte er zornig zu Biegler: »Ich hab zum Mittagsmahl Bikosch mit polnischer Soße gehabt. Vom Bataillon aus werde ich eine Beschwerde an die Brigade telegrafieren. Verdorbenes Sauerkraut und zum Essen ungeeignetes Schweinefleisch. Die Frechheit der Köche übersteigt alle Grenzen. Wer mich noch nicht kennt, der wird mich kennenlernen.«
    »Feldmarschall Nostitz-Rhieneck, die Elite der Reservekavallerie«, entgegnete Biegler, »hat eine Schrift mit dem Titel ›Was schadet dem Magen im Kriege‹ herausgegeben, in der er nicht empfiehlt, während der Strapazen und Leiden des Krieges |785|
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