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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Autoren: Jaroslav Hasek
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erlauben, und man könnt davon noch Unannehmlichkeiten haben. Hab ich das nötig?«
    »In Sarajevo hat es aber bös aussehn müssen, Herr Wirt.«
    Auf diese heimtückisch direkte Frage antwortete Herr Palivec ungewöhnlich vorsichtig: »Um diese Zeit is es in Bosnien verflucht heiß. Wie ich gedient hab, mußten wir unserm Oberlajtnant Eis aufn Kopf geben.«
    »Bei welchem Regiment haben Sie gedient, Herr Wirt?«
    »An solche Kleinigkeiten erinner ich mich nicht, ich hab mich nie um so einen Dreck gekümmert und war auch nie drauf neugierig«, antwortete Herr Palivec, »allzu große Neugier schadet.«
    Der Zivilpolizist Bretschneider verstummte endgültig, und sein betrübter Ausdruck heiterte sich erst bei der Ankunft Schwejks auf, der bei seinem Eintritt in das Wirtshaus ein schwarzes Bier mit folgender Bemerkung bestellte: »In Wien ham sie heut auch Trauer.«
    |12| Bretschneiders Augen leuchteten voller Hoffnung auf. Er sagte kurz: »Auf Konopischt hängen zehn schwarze Fahnen.«
    »Es sollten zwölf dort sein«, sagte Schwejk nach einem Schluck.
    »Warum meinen Sie zwölf?« fragte Bretschneider.
    »Damits eine runde Zahl gibt. Aufs Dutzend rechnet sichs besser, und im Dutzend kommt auch alles billiger«, antwortete Schwejk.
    Es herrschte Schweigen, das Schwejk selbst durch folgenden Stoßseufzer unterbrach: »Also er ruht schon in Gottes Schoß. Gott geb ihm ewigen Frieden. Er hats nicht mal erlebt, daß er Kaiser worden is. Wie ich beim Militär gedient hab, is einmal ein General vom Pferd gefalln und hat sich in aller Seelenruh erschlagen. Man wollte ihm wieder aufs Pferd helfen, ihn hinaufheben, da sieht man zu seiner Verwunderung, daß er mausetot is. Und er hat auch zum Feldmarschall avancieren solln. Das is bei einer Parade geschehn. Diese Paraden führen nie zu was Gutem. In Sarajevo war auch so eine Parade. Ich erinner mich, daß mir bei so einer Parade einmal zwanzig Knöpfe bei der Montur gefehlt ham und daß ich dafür vierzehn Tage Einzel gefaßt hab. Zwei Tage bin ich krummgeschlossen gelegen wie Lazarus. Aber Disziplin muß beim Militär sein. Sonst möcht sich niemand aus jemandem was machen. Unser Oberlajtnant Makovec hat uns immer gesagt: ›Disziplin, ihr Heuochsen, muß sein, sonst möchtet ihr wie die Affen auf den Bäumen klettern. Aber das Militär wird aus euch Menschen machen, ihr Trotteln.‹ Und is das nicht wahr? Stellen Sie sich einen Park vor, sag mr aufm Karlsplatz, und auf jedem Baum einen Soldaten ohne Disziplin. Davor hab ich immer die größte Angst gehabt.«
    »Das in Sarajevo«, knüpfte Bretschneider an, »haben die Serben gemacht.«
    »Da irren Sie sich aber sehr«, antwortete Schwejk. »Das ham die Türken gemacht, wegen Bosnien und Herzegowina.«
    Und Schwejk legte seine Ansichten über die internationale Politik Österreichs auf dem Balkan dar. Die Türken hätten im Jahre 1912 den Krieg mit Serbien, Bulgarien und Griechenland |13| verloren. Sie hatten damals wollen, Österreich solle ihnen helfen, und als dies nicht geschah, schossen sie Ferdinand nieder.
    »Hast du die Türken gern?« wandte sich Schwejk an Palivec. »Hast du diese heidnischen Hunde gern? Nicht wahr, das nicht.«
    »Ein Gast wie der andere«, sagte Palivec, »und wenns auch ein Türke is. Für uns Gewerbetreibende gibts keine Politik. Bezahl dein Bier und setz dich hin und quatsch, was du willst. Das is mein Grundsatz. Ob unsern Ferdinand ein Türke oder Serbe, ein Katholik oder Mohammedaner, ein Anarchist oder Jungtscheche umgebracht hat, is mir ganz powidel.«
    »Gut, Herr Wirt«, ließ sich Bretschneider vernehmen, der wiederum die Hoffnung aufgab, einen von den beiden in die Enge treiben zu können. »Aber Sie werden zugeben, daß das ein großer Verlust für Österreich ist.«
    Statt des Wirtes antwortete Schwejk: »Ein Verlust is es, das läßt sich nicht leugnen. Ein furchtbarer Verlust. Der Ferdinand läßt sich nicht durch jeden beliebigen Trottel ersetzen. Nur noch dicker hätt er sein solln.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte Bretschneider lebhaft.
    »Wie ich das mein?« antwortete Schwejk friedlich, »no, nur so: wenn er dicker gewesen wär, dann hätt ihn sicher schon früher der Schlag getroffen, wie er die alten Weiber in Konopischt gejagt hat, wenn sie in seinem Revier Reisig und Schwämme gesammelt ham, und er hätt nicht eines so schmählichen Todes sterben müssen. Wenn ich mir das so überleg, ein Onkel Seiner Majestät des Kaisers, und sie erschießen ihn! Das is ja ein Schkandal,
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