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Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Titel: Die Abenteuer der Silvester-Nacht
Autoren: E. T. A. Hoffmann
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Teezim-
    mer herabgestiegen war in den dunkeln Bierkeller, du hättest
    dich mit recht stolzer verächtlicher Miene von mir abgewen-
    det und gemurmelt: „Ist es denn ein Wunder, daß ein solcher
    Mensch die zierlichsten Jabots ruiniert?“
    Ich mochte ohne Hut und Mantel den Leuten etwas ver-
    wunderlich vorkommen. Dem Manne schwebte eine Frage
    auf den Lippen, da pochte es ans Fenster und eine Stimme rief
    herab: „Macht auf, macht auf, ich bin da!“ Der Wirt lief hin-
    aus und trat bald wieder herein, zwei brennende Lichter hoch
    in den Händen tragend, ihm folgte ein sehr langer, schlanker
    Mann. In der niedrigen Tür vergaß er sich zu bücken und
    stieß sich den Kopf recht derb; eine barettartige schwarze
    Mütze, die er trug, verhinderte jedoch Beschädigung. Er
    drückte sich auf ganz eigene Weise der Wand entlang und
    setzte sich mir gegenüber, indem die Lichter auf den Tisch
    gestellt wurden. Man hätte beinahe von ihm sagen können,
    daß er vornehm und unzufrieden aussähe. Er forderte ver-
    drießlich Bier und Pfeife und erregte mit wenigen Zügen ei-
    nen solchen Dampf, daß wir bald in einer Wolke schwammen.
    Übrigens hatte sein Gesicht so etwas Charakteristisches und
    Anziehendes, daß ich ihn trotz seines finstern Wesens sogleich
    liebgewann. Die schwarzen reichen Haare trug er gescheitelt
    und von beiden Seiten in vielen kleinen Locken herabhän-
    gend, sodaß er den Bildern von Rubens glich. Als er den gro-
    ßen Mantelkragen abgeworfen, sah ich, daß er in eine schwarze
    Kurtka mit vielen Schnüren gekleidet war, sehr fiel es mir aber
    auf, daß er über die Stiefeln zierliche Pantoffeln gezogen hatte.
    Ich wurde das gewahr, als er die Pfeife ausklopfte, die er in
    fünf Minuten ausgeraucht. Unser Gespräch wollte nicht recht
    von statten gehen, der Fremde schien sehr mit allerlei seltenen
    Pflanzen beschäftigt, die er aus einer Kapsel genommen hatte
    und wohlgefällig betrachtete. Ich bezeigte ihm meine Ver-
    wunderung über die schönen Gewächse und fragte, da sie
    ganz frisch gepflückt zu sein schienen, ob er vielleicht im bo-
    tanischen Garten oder bei Boucher gewesen. Er lächelte ziem-
    lich seltsam und antwortete: „Botanik scheint nicht eben Ihr
    Fach zu sein, sonst hätten Sie nicht so“ — Er stockte, ich lis-
    pelte kleinlaut: „albern“ — „gefragt“, setzte er treuherzig
    hinzu. „Sie würden“, fuhr er fort, „auf den ersten Blick Alpen-
    pflanzen erkannt haben, und zwar, wie sie auf dem Tschimbo-
    rasso wachsen.“ Die letzten Worte sagte der Fremde leise vor
    sich hin, und du kannst denken, daß mir dabei gar wunder-
    lich zumute wurde. Jede Frage erstarb mir auf den Lippen;
    aber immer mehr regte sich eine Ahnung in meinem Innern,
    und es war mir, als habe ich den Fremden nicht sowohl oft
    gesehen als oft gedacht. Da pochte es aufs neue ans Fenster,
    der Wirt öffnete die Tür, und eine Stimme rief: „Seid so gut,
    Euern Spiegel zu verhängen.“ — „Aha!“ sagte der Wirt, „da
    kommt noch recht spät der General Suwarow.“ Der Wirt ver-
    hängte den Spiegel, und nun sprang mit einer täppischen Ge-
    schwindigkeit, schwerfällig hurtig, möcht ich sagen, ein klei-
    ner dürrer Mann herein, in einem Mantel von ganz seltsam
    bräunlicher Farbe, der, indem der Mann in der Stube herum-
    hüpfte, in vielen Falten und Fältchen auf ganz eigene Weise
    um den Körper wehte, so daß es im Schein der Lichter bei-
    nahe anzusehen war, als führen viele Gestalten aus- und in-
    einander, wie bei den Enslerschen Phantasmagorien. Dabei
    rieb er die in den weiten Ärmeln versteckten Hände und rief:
    „Kalt! — kalt — o wie kalt! In Italia ist es anders, anders!“ End-
    lich setzte er sich zwischen mir und dem Großen, sprechend:
    „Das ist ein entsetzlicher Dampf — Tabak gegen Tabak — hätt’
    ich nur eine Prise!“ — Ich trug die spiegelblank geschliffne
    Stahldose in der Tasche, die du mir einst schenktest, die zog
    ich gleich heraus und wollte dem Kleinen Tabak anbieten.
    Kaum erblickte er die, als er mit beiden Händen darauf zu-
    fuhr und, sie wegstoßend, rief: „Weg — weg mit dem abscheu-
    lichen Spiegel!“ Seine Stimme hatte etwas Entsetzliches, und
    als ich ihn verwundert ansah, war er ein andrer worden. Mit
    einem gemütlichen jugendlichen Gesicht sprang der Kleine
    herein, aber nun starrte mich das totenblasse, welke, einge-
    furchte Antlitz eines Greises mit hohlen Augen an. Voll Ent-
    setzen rückte ich hin zum Großen. „Um ’s Himmels
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