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Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Titel: Die Abenteuer der Silvester-Nacht
Autoren: E. T. A. Hoffmann
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bedaure dich von
    ganzem Herzen. Die Gewalt des Feindes ist sehr groß, und
    wie er denn nun allen möglichen Lastern ergeben ist, so stiehlt
    er auch sehr und hat dem Gelüst nicht widerstehen können,
    dir dein schönes, vollkommen ähnliches Spiegelbild auf recht
    hämische Weise zu entwenden. — Sieh doch einmal in jenen
    Spiegel dort, lieber, guter Mann!“ — Spikher tat es, am gan-
    zen Leibe zitternd, mit recht kläglicher Miene. Blank und klar
    blieb der Spiegel, kein Erasmus Spikher schaute heraus. „Dies-
    mal“, fuhr die Frau fort, „ist es recht gut, daß der Spiegel dein
    Bild nicht zurückwirft, denn du siehst sehr albern aus, lieber
    Erasmus. Begreifen wirst du aber übrigens wohl selbst, daß du
    ohne Spiegelbild ein Spott der Leute bist und kein ordentli-
    cher, vollständiger Familienvater sein kannst, der Respekt
    einflößt der Frau und den Kindern. Rasmuschen lacht dich
    auch schon aus und will dir nächstens einen Schnauzbart
    malen mit Kohle, weil du das nicht bemerken kannst. Wandre
    also nur noch ein bißchen in der Welt herum und suche gele-
    gentlich dem Teufel dein Spiegelbild abzujagen. Hast du’s wie-
    der, so sollst du mir recht herzlich willkommen sein. Küsse
    mich, (Spikher tat es) und nun — glückliche Reise! Schicke
    dem Rasmus dann und wann ein Paar neue Höschen, denn er
    rutscht sehr auf den Knieen und braucht dergleichen viel.
    Kommst du aber nach Nürnberg, so füge einen bunten Husa-
    ren hinzu und einen Pfefferkuchen als liebender Vater. Lebe
    recht wohl, lieber Erasmus!“ — Die Frau drehte sich auf die
    andere Seite und schlief ein. Spikher hob den kleinen Rasmus
    in die Höhe und drückte ihn ans Herz; der schrie aber sehr,
    da setzte Spikher ihn wieder auf die Erde und ging in die weite
    Welt. Er traf einmal auf einen gewissen Peter Schlemihl, der
    hatte seine Schlagschatten verkauft; beide wollten Kompagnie
    gehen, so daß Erasmus Spikher den nötigen Schlagschatten
    werfen, Peter Schlemihl dagegen das gehörige Spiegelbild re-
    flektieren sollte; es wurde aber nichts daraus.
    Ende der Geschichte vom verlornen Spiegelbilde.
    Postskript des reisenden Enthusiasten
    Was schaut denn dort aus jenem Spiegel heraus? — Bin ich es
    auch wirklich? — O Julie — Giulietta — Himmelsbild — Höl-
    lengeist — Entzücken und Qual — Sehnsucht und Verzweif-
    lung. — Du siehst, mein lieber Theodor Amadäus Hoffmann,
    daß nur zu oft eine fremde dunkle Macht sichtbarlich in mein
    Leben tritt und, den Schlaf um die besten Träume betrügend,
    mir gar seltsame Gestalten in den Weg schiebt. Ganz erfüllt
    von den Erscheinungen der Silvester-Nacht, glaube ich bei-
    nahe, daß jener Justizrat wirklich von Dragant, sein Tee eine
    Weihnachts- oder Neujahrsausstellung, die holde Julie aber
    jenes verführerische Frauenbild von Rembrandt oder Callot
    war, das den unglücklichen Erasmus Spikher um sein schönes
    ähnliches Spiegelbild betrog. Vergib mir das!
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