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Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Titel: Die Abenteuer der Silvester-Nacht
Autoren: E. T. A. Hoffmann
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und dir statt
    meines Selbst nur mein Spiegelbild gab? Ha, Giulietta, ich will
    ja dein sein mit Leib und Seele, sie hat mich verstoßen, sie, der
    ich dich opferte. Giulietta, Giulietta, ich will ja dein sein mit
    Leib und Leben und Seele.“ — „Das können Sie ganz füglich,
    mein Wertester“, sprach Signor Dapertutto, der auf einmal in
    seinem scharlachroten Rocke mit den blitzenden Stahlknöp-
    fen dicht neben ihm stand. Es waren Trostesworte für den
    unglücklichen Erasmus, deshalb achtete er nicht Dapertuttos
    hämisches, häßliches Gesicht, er blieb stehen und fragte mit
    recht kläglichem Ton: „Wie soll ich sie denn wieder finden, sie,
    die wohl auf immer für mich verloren ist!“ — „Mit nichten,“
    erwiderte Dapertutto, „sie ist gar nicht weit von hier und sehnt
    sich erstaunlich nach Ihrem werten Selbst, Verehrter, da doch,
    wie Sie einsehen, ein Spiegelbild nur eine schnöde Illusion ist.
    Übrigens gibt sie Ihnen, sobald sie sich Ihrer werten Person,
    nämlich mit Leib, Leben und Seele, sicher weiß, Ihr angeneh-
    mes Spiegelbild glatt und unversehrt dankbarlichst zurück.“
    „Führe mich zu ihr — zu ihr hin!“ rief Erasmus, „wo ist sie?“
    „Noch einer Kleinigkeit bedarf es,“ fiel Dapertutto ein, „bevor
    Sie Giulietta sehen und sich ihr gegen Erstattung des Spiegel-
    bildes ganz ergeben können. Dieselben vermögen nicht so
    ganz über Dero werte Person zu disponieren, da Sie noch
    durch gewisse Bande gefesselt sind, die erst gelöset werden
    müssen. — Dero liebe Frau nebst dem hoffnungsvollen Söhn-
    lein“ — „Was soll das?“ — fuhr Erasmus wild auf. „Eine un-
    maßgebliche Trennung dieser Bande“, fuhr Dapertutto fort,
    „könnte auf ganz leicht menschliche Weise bewirkt werden. Sie
    wissen ja von Florenz aus, daß ich wundersame Medikamente
    geschickt zu bereiten weiß, da hab’ ich denn hier so ein Haus-
    mittelchen in der Hand. Nur ein paar Tropfen dürfen die ge-
    nießen, welche Ihnen und der lieben Giulietta im Wege sind,
    und sie sinken ohne schmerzliche Gebärde lautlos zusammen.
    Man nennt das zwar sterben, und der Tod soll bitter sein; aber
    ist denn der Geschmack bittrer Mandeln nicht lieblich, und
    nur diese Bitterkeit hat der Tod, den dieses Fläschchen ver-
    schließt. Sogleich nach dem fröhlichen Hinsinken wird die
    werte Familie einen angenehmen Geruch von bittern Man-
    deln verbreiten. — Nehmen Sie, Geehrtester.“ — Er reichte
    dem Erasmus eine kleine Phiole hin. „Entsetzlicher Mensch,“
    schrie dieser, „vergiften soll ich Weib und Kind?“ „Wer spricht
    denn von Gift,“ fiel der Rote ein, „nur ein wohlschmeckendes
    Hausmittel ist in der Phiole enthalten. Mir stünden andere
    Mittel, Ihnen Freiheit zu schaffen, zu Gebote, aber durch Sie
    selbst möcht’ ich so ganz natürlich, so ganz menschlich wir-
    ken, das ist nun einmal meine Liebhaberei. Nehmen Sie ge-
    trost, mein Bester!“ — Erasmus hatte die Phiole in der Hand,
    er wußte selbst nicht wie. Gedankenlos rannte er nach Hause
    in sein Zimmer. Die ganze Nacht hatte die Frau unter tausend
    Ängsten und Qualen zugebracht, sie behauptete fortwährend,
    der Zurückgekommene sei nicht ihr Mann, sondern ein hölli-
    scher Geist, der ihres Mannes Gestalt angenommen. Sowie
    Spikher ins Haus trat, floh alles scheu zurück, nur der kleine
    Rasmus wagte es, ihm nahe zu treten und kindisch zu fragen,
    warum er denn sein Spiegelbild nicht mitgebracht habe, die
    Mutter würde sich darüber zu Tode grämen. Erasmus starrte
    den Kleinen wild an, er hatte noch Dapertuttos Phiole in der
    Hand. Der Kleine trug seine Lieblingstaube auf dem Arm,
    und so kam es, daß diese mit dem Schnabel sich der Phiole
    näherte und an dem Pfropfe pickte; sogleich ließ sie den Kopf
    sinken, sie war tot. Entsetzt sprang Erasmus auf. „Verräter,“
    schrie er, „du sollst mich nicht verführen zur Höllentat!“ — Er
    schleuderte die Phiole durch das offene Fenster, daß sie auf
    dem Steinpflaster des Hofes in tausend Stücke zersprang. Ein
    lieblicher Mandelgeruch stieg auf und verbreitete sich bis ins
    Zimmer. Der kleine Rasmus war erschrocken davongelaufen.
    Spikher brachte den ganzen Tag, von tausend Qualen gefol-
    tert, zu, bis die Mitternacht eingebrochen. Da wurde immer
    reger und reger in seinem Innern Giuliettas Bild. Einst zer-
    sprang ihr in seiner Gegenwart eine Halsschnur, von jenen
    kleinen roten Beeren aufgezogen, die die Frauen wie Perlen
    tragen. Die Beeren auflesend, verbarg er
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