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Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Titel: Die Abenteuer der Silvester-Nacht
Autoren: E. T. A. Hoffmann
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ich denn fort von dir? — muß ich fort,
    so soll mein Spiegelbild dein bleiben auf ewig und immerdar.
    Keine Macht — der Teufel soll es dir nicht entreißen, bis du
    mich selbst hast mit Seele und Leib.“ — Giuliettas Küsse brann-
    ten wie Feuer auf seinem Munde, als er dies gesprochen, dann
    ließ sie ihn los und streckte sehnsuchtsvoll die Arme aus nach
    dem Spiegel. Erasmus sah, wie sein Bild unabhängig von sei-
    nen Bewegungen hervortrat, wie es in Giuliettas Arme glitt,
    wie es mit ihr im seltsamen Duft verschwand. Allerlei häßliche
    Stimmen meckerten und lachten in teuflischem Hohn; erfaßt
    von dem Todeskrampf des tiefsten Entsetzens, sank er be-
    wußtlos zu Boden, aber die fürchterliche Angst — das Grau-
    sen riß ihn auf aus der Betäubung, in dicker dichter Finsternis
    taumelte er zur Tür hinaus, die Treppe hinab. Vor dem Hause
    ergriff man ihn und hob ihn in einen Wagen, der schnell fort-
    rollte. „Dieselben haben sich etwas alteriert, wie es scheint,“
    sprach der Mann, der sich neben ihn gesetzt hatte, in deut-
    scher Sprache, „dieselben haben sich etwas alteriert, indessen
    wird jetzt alles ganz vortrefflich gehen, wenn Sie sich nur mir
    ganz überlassen wollen. Giuliettchen hat schon das ihrige ge-
    tan und mir Sie empfohlen. Sie sind auch ein recht lieber junger
    Mann und inklinieren erstaunlich zu angenehmen Späßen,
    wie sie uns, mir und Giuliettchen, sehr behagen. Das war mir
    ein recht tüchtiger deutscher Tritt in den Nacken. Wie dem
    Amoroso die Zunge kirschblau zum Halse heraushing — es
    sah recht possierlich aus, und wie er so krächzte und ächzte
    und nicht gleich abfahren konnte — ha — ha — ha —“ Die
    Stimme des Mannes war so widrig höhnend, sein Schnick-
    schnack so gräßlich, daß die Worte Dolchstichen gleich in des
    Erasmus Brust fuhren. „Wer Ihr auch sein mögt,“ sprach Eras-
    mus, „schweigt, schweigt von der entsetzlichen Tat, die ich be-
    reue!“ — „Bereuen, bereuen!“ erwiderte der Mann, „so bereut
    Ihr auch wohl, daß Ihr Giulietta kennen gelernt und ihre süße
    Liebe erworben habt?“ — „Ach, Giulietta, Giulietta!“ seufzte
    Erasmus. „Nun ja,“ fuhr der Mann fort, „so seid Ihr nun kin-
    disch, Ihr wünscht und wollt, aber alles soll auf gleichem glat-
    ten Wege bleiben. Fatal ist es zwar, daß Ihr Giulietta habt ver-
    lassen müssen, aber doch könnte ich wohl, bliebet Ihr hier,
    Euch allen Dolchen Eurer Verfolger und auch der lieben Justiz
    entziehen.“ Der Gedanke, bei Giulietta bleiben zu können, er-
    griff den Erasmus gar mächtig. „Wie wäre das möglich?“ fragte
    er. — „Ich kenne“, fuhr der Mann fort, „ein sympathetisches
    Mittel, das Eure Verfolger mit Blindheit schlägt, kurz, welches
    bewirkt, daß Ihr ihnen immer mit einem andern Gesichte er-
    scheint und sie Euch niemals wieder erkennen. Sowie es Tag
    ist, werdet Ihr so gut sein, recht lange und aufmerksam in ir-
    gend einen Spiegel zu schauen, mit Euerm Spiegelbilde nehme
    ich dann, ohne es im mindesten zu versehren, gewisse Opera-
    tionen vor, und Ihr seid geborgen, Ihr könnt dann leben mit
    Giulietta ohne alle Gefahr in aller Lust und Freudigkeit.“ —
    „Fürchterlich, fürchterlich!“ schrie Erasmus auf. „Was ist denn
    fürchterlich, mein Wertester?“ fragte der Mann höhnisch.
    „Ach, ich — habe, ich — habe“, fing Erasmus an — „Euer Spie-
    gelbild sitzen lassen,“ fiel der Mann schnell ein, „sitzen lassen
    bei Giulietta? — ha ha ha! Bravissimo, mein Bester! Nun könnt
    Ihr durch Fluren und Wälder, Städte und Dörfer laufen, bis Ihr
    Euer Weib gefunden nebst dem kleinen Rasmus und wieder
    ein Familienvater seid, wiewohl ohne Spiegelbild, worauf es
    Eurer Frau auch weiter wohl nicht ankommen wird, da sie
    Euch leiblich hat, Giulietta aber immer nur Euer schimmern-
    des Traum-Ich.“ — „Schweige, du entsetzlicher Mensch“,
    schrie Erasmus. In dem Augenblick nahte sich ein fröhlich
    singender Zug mit Fackeln, die ihren Glanz in den Wagen
    warfen. Erasmus sah seinem Begleiter ins Gesicht und er-
    kannte den häßlichen Doktor Dapertutto. Mit einem Satz
    sprang er aus dem Wagen und lief dem Zuge entgegen, da er
    schon in der Ferne Friedrichs wohltönenden Baß erkannt
    hatte. Die Freunde kehrten von einem ländlichen Mahle zu-
    rück. Schnell unterrichtete Erasmus Friedrichen von allem,
    was geschehen, und verschwieg nur den Verlust seines Spiegel-
    bildes. Friedrich eilte mit ihm voran nach der Stadt, und
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