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Die Abaddon-Mission (German Edition)

Die Abaddon-Mission (German Edition)

Titel: Die Abaddon-Mission (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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Dichter mit einem Stapel Manuskripte zum Gewächshaus hinüberging. Hier hatte er schon des öfteren den notwendigen Abstand gefunden, wenn er mit einer Geschichte nicht weiterkam. Vielleicht würde ihm die Illusion irdischen Sommers auch heute helfen, die richtige Wahl zu tre f fen.
    Der alte Mann blieb die ganze Nacht über in se i nem lichterfüllten Glaskäfig. Hin und wieder las er ein paar Ze i len, meistens hielt er jedoch die Augen geschlossen, als sei er eing e schlafen. Doch der Ei n druck täuschte.
    Der traurige Dichter war zu einer weiten Reise au f gebr o chen, die ihn zurück in seine Heimatstadt Grünheim führte – zu jenen, die mit ihm jung gew e sen waren. Und natürlich zu Lara. Es hatte etwas Seltsames mit diesen Erinnerungen auf sich, die Teil einer Welt waren, die nie so existiert hatte. Er hatte sie selbst erschaffen, danach , und mit unzähligen D e tails liebevoll ausgeschmückt. Keine dieser G e schichten wü r de jemals einen Verlag finden, denn sie betrafen ausschlie ß lich Lara und ihn. Es war ve r lockend, in diese niemals erlebte Vergangenheit ei n zutauchen, in der er selbst ohne Schuld war und L a ra noch am Leben ...
    Als der Dichter im Morgengrauen das Gewäch s haus ve r ließ, hatte er eine Entscheidung getroffen. Er war todmüde, aber von einer Ungeduld besessen, die den Gedanken an Schlaf gar nicht erst aufko m men ließ. Nach einem hastig hinuntergeschlungenen Frühstück machte er sich auf den Weg zum »Se e blick«, jenem windgeschützten Ruheplatz, an dem er auf seinen Spaziergängen gewöh n lich Station mac h te.
    Der Wind hatte aufgefrischt und trieb seinen gefri e renden Atem als zerfasernde Dampfschwaden in Richtung Meer. Es war noch früh am Morgen, die Sonne kaum mehr als ein verwaschener Lichtfleck am Horizont. Der Dichter ma r schierte zügig, aber auf Dauer vermochte ihn die Bewegung nicht war m zuhalten. Langsam, aber unerbittlich fraß sich die Kälte durch die Isolationsschichten seines Overalls und ließ ihn e r schauern.
    Als er endlich den Rastplatz erreicht hatte, duckte er sich tief in den Windschatten des Felsens und griff nach dem mitgebrachten Manuskript. U r sprünglich hatte er vorgehabt, es noch einmal durc h zusehen, aber dafür blieb jetzt keine Zeit mehr. Mit klammen Fingern faltete er den Stapel Blätter au s einander, warf einen flüchtigen Blick darauf und wandte sich dann zum Gehen. Plötzlich geriet er ins Stolpern, ließ dabei die Papiere fallen, bevor es ihm im letzten Augenblick doch noch gelang, seinen Sturz abz u fangen.
    Schwer atmend schaute der Dichter den davo n wirbelnden Blättern hinterher und fragte sich, ob das Meer sein Manöver wohl durchschaut hatte. Vie l leicht würde er die Antwort nie erfahren ...
    Im Augenblick gab es jedenfalls nichts mehr zu tun, und so machte er sich fröstelnd auf den Hei m weg.
     
    ***
    Von da an wartete der traurige Dichter, doch an se i nem Tagesablauf änderte sich zunächst nur w e nig. Er stand zeitig auf, frühstückte ausgiebig und b e gann dann zu arbeiten. Die Mittagsstunden nutzte er zu ausgedehnten Spaziergängen, die ihn entweder den Strand entlang oder hinaus in die schatte n lose Weite des Sandmeeres führten. In den ersten Tagen b e mühte er sich noch, seine Gedanken unter Ko n trolle zu ha l ten, um nichts von dem zu offenbaren, was er erwartete oder befürchtete – eine ebenso na i ve wie überflüssige Vorsicht s maßnahme, wie er sich später eing e stand.
    Das Meer sprach nie wieder zu ihm, so ang e strengt er auch lauschte, während der Wind über die erstarrten Wogen strich und die Staubteufel am H o rizont zu tanzen begannen.
    Wenn der Dichter dann durchfroren heimgekehrt war, kochte er sich Tee und verzehrte dazu eine j e ner geschmack s armen Fertigmahlzeiten, die seine Kühltruhe zu Dutzenden bereithielt. Den Nachmittag und Abend verbrachte er dann entweder am Comp u ter oder in seinem Gewächshaus, doch es gelang ihm immer seltener, sich auf das zu konzentrieren, was er gerade tat.
    Wieder und wieder glitt sein Blick zum Fenster, dachte er darüber nach, ob er etwa einen Fehler g e macht oder etwas unberücksichtigt gelassen hatte.
    Vielleicht hatte der Wind sich an jenem Morgen doch noch gedreht und die Manuskriptseiten zurück zum Ufer g e trieben? Vielleicht jagte er sie noch immer vor sich her – i r gendwo weit weg von Meer und Strand?
    Natürlich waren derartige Überlegungen müßig, aber auch ein Indiz dafür, wie wichtig ihm der E r folg seines Exper i ments
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